Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)

– Persilschein Erwägungsgrund 47, Satz 7 (DS-GVO): »Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.« –

Kurz zur Vorgeschichte

In meinem Beitrag

»Datenhandel – personalisierter Werbekatalog (hier: B2B Smart Data GmbH / Rajapack GmbH) – Robinsonliste: Verbraucherschutz vor unerwünschter Werbung / Der Bock zum Gärtner!? Trojanische Pferde!? -«

bin ich auf den Handel mit meinen persönlichen Daten durch die B2B Smart Data GmbH eingegangen; Kunde war die Firma Rajapack.

Weiterhin habe ich darauf verwiesen, dass die „Datenhandel-Schutzliste“ https://www.robinsonliste.de/ von der Quadress GmbH als Zuständige für Zustellanschrift & Service sowie Administrative Verwaltung unterhalten wird und diese Quadress GmbH im Grunde identisch mit der B2B Smart Data GmbH ist.

»Wir haben ein Unternehmen Namens QUADRESS GmbH alias B2B Smart Data GmbH, welches seinen werbenden Kunden bewiesenermaßen fröhlich und ungeniert Adressdaten – und wer weiß schon, was sonst noch? – zur Verfügung stellt.
Gleichzeitig ist dasselbe Adressdaten übermittelnde Unternehmen jedoch mit dem Schutz vor Ihrer eigenen Arbeit betraut bzw. aufs Engste mit den entsprechenden Schutzorganisationen verbunden (bzw. IST selbst die Schutzorganisation?).«

Das alles wollte ich nicht einfach auf sich beruhen lassen. Ich suchte daher den Kontakt zur B2B Smart Data GmbH (nachfolgend nur noch kurz B2B).

Korrespondenz mit B2B

Datenlöschung

Im 1. Schritt forderte ich B2B schriftlich (per E-Mail) auf, meine Daten aus ihrer Datenbank zu löschen. Gemäß des entsprechenden Antwortschreibens von B2B soll dies auch vollständig erfolgen.

Nach jetzigem Sachstand – den realen „Erfolg“ kann ich leider erst in einigen Monaten bewerten, wenn mein Briefkasten „B2B-werbefrei“ bleibt, oder eben doch nicht – kann ich nur jedem empfehlen, diesem Datenhandel-Sumpf durch eigene Initiative entgegenzutreten. Und wenn es nur dafür gut ist, die Protagonisten wissen zu lassen, dass sie selbst unter „Beobachtung“ stehen.
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Art. 6 Abs. 1a Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO):
Interessen des Verantwortlichen

Sowohl im „Kleingedruckten“ der Werbebotschaften, insbesondere aber auch in obigem Antwortschreiben von B2B, wird die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Adressen mit Art. 6 der DS-GVO begründet:

Die Verarbeitung von Adressen für Werbezwecke ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat (Art. 6 Abs. 1a DS-GVO) oder dies zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen (Art. 6 Abs. 1f DS-GVO).

Wer will, kann die vollständige Korrespondenz hier einsehen:
E-Mail-Korrespondenz mit B2B-smartdata GmbH.

Im 2. Schritt habe ich Bezug nehmend auf vorstehenden Art. 6 sowie einen möglichen Interessenskonflikt durch das Betreiben der Robinsonliste durch B2B / Quadress bei B2B nachgehakt.

Quintessenz sind die folgenden drei von mir gestellten Fragen mit den entsprechenden Antworten von B2B:

  1. »Wie ist es zu interpretieren, wenn ein Unternehmen zu Werbezwecken Adressen verarbeitet und gleichzeitig den Schutz vor dieser Arbeit anbietet? Sind ob dieser Zusammenhänge potentielle Interessenkonflikte zu besorgen?«
  2. »Um welche „berechtigten Interessen des Verantwortlichen (also Sie / Ihr Unternehmen)“ handelt es sich, aufgrund derer die Verarbeitung meiner Adresse für Werbezwecke zulässig ist?«
  3. »An welcher Stelle und in welcher Form habe ich der Verarbeitung meiner Adresse für Werbezwecke zugestimmt?«

Einwilligung des Betroffenen?
Interessenkonflikt B2B / Quadress als Betreiber der Robinsonliste?

Zu 1. (Interessenkonflikte):

Zum Punkt „Interessenkonflikte“ teilte B2B folgendes mit:

Es sei Ihnen versichert, dass es hier keinerlei Interessenskonflikte gibt. Die Dialogmarketingbranche hat ein sehr hohes und berechtigtes Interesse daran, Betroffene wie Sie nicht anzuschreiben. Dies vermeidet negative Impulse hinsichtlich Kundenzufriedenheit und letztlich sogar Kosten in erheblichem Maße (Porto, Konfektionierungskosten, Nachsorge, etc.). Welche Institution – wenn nicht die Branche selbst – könnte ein größeres Interesse an der Vermeidung unerwünschter Kontaktaufnahmen per Post haben?! Daher leben wir übrigens dieses gesamte Verfahren schon seit dem ersten Tag der Unternehmensgründung und nicht erst seit der Gesetzgeber dies endlich zur Pflicht erhoben hat.

Zur Kenntnis genommen. Der Umkehrschluss ist allerdings, dass die „Dialogmarketingbranche“ (welch euphemistische Wortgestaltung ) als Grundannahme für jeden sich nicht wehrenden „Betroffenen“ von einer GEWÜNSCHTEN Kontaktaufnahme ausgeht! ICH gehe jedoch eher davon aus, dass die zu diesen Themen bei den Menschen bestehende Gleichgültigkeit ganz bewusst ausgenutzt wird. Es gäbe noch einige weitere Punkte, die ich dazu vermerken könnte. Mache sich jedoch jeder selbst weitere Gedanken darüber!

Ich komme jetzt zum eigentlichen Beweggrund dieses Beitrags, die Antworten von B2B zu 2. und 3.:

Zu 2. („berechtigten Interessen des Verantwortlichen“) und 3. (Einwilligung des „Betroffenen“):

Nachstehende Aussagen in Beantwortung meiner Fragen wurden lt. E-Mail-Signatur nicht von „irgendjemandem“, sondern von Herrn Stefan Bremen, einem der Geschäftsführer von B2B, verfasst:

»Eine Einwilligung Ihrerseits ist nicht notwendig gewesen. Leider muss an dieser Stelle wieder der Gesetzestext zitiert bzw. bemüht werden (Art. 6, Abs. 1 lit. f (DS-GVO)):
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„Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: […]  f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, ….“

In diesem Fall ist der Erwägungsgrund 47, Satz 7 (DS-GVO) anzuwenden: …«

Welch Offenbarung! Die „Dialogmarketingbranche“ zückt einen ominösen „Erwägungsgrund“, und schon können sie mit meinen Daten offensichtlich machen, was sie wollen; ohne dass ich zuvor auch nur ansatzweise dazu angehört werden muss.

Was beinhaltet dieser „Persilschein“ Erwägungsgrund 47, Satz 7 der DS-GVO?
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DSGVO Erwägungsgrund 47:
»Überwiegende berechtigte Interessen1«

»Die Erwägungsgründe, die in der Verordnung vor den Artikeln stehen, stellen zwar selbst keine Regelungen dar, sondern beinhalten die Motive zur und Gründe für die Einführung der entsprechenden Artikel. Damit helfen die Erwägungsgründe Auslegung der Regelungen der Artikel.« (>>)

Die Artikel der DS-GVO stehen nicht allein, sozusagen „im luftleeren Raum“, da. Sie wurden in Erwägung von insgesamt 173 Gründen erlassen.

„Persilschein“ Erwägungsgrund 47, Satz 7:

DSGVO, Erwägungsgrund 47: »Überwiegende berechtigte Interessen1«
Satz 7:

Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.
(>> oder >>)

1 Dieser Titel ist eine inoffizielle Beschreibung dieses Erwägungsgrundes.

Kann? Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung WIRD (!!) als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet. Herrn Stefan Bremen vom Datenhändler B2B hat uns das oben gelehrt!!

Schrankenloser Datenhandel

Vollends wird die Maske auf der Seite einer Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei heruntergerissen (und wer, wenn nicht Steuer- und Rechtsanwälte besitzen entsprechendes Fachwissen). Mandanten dieser Kanzlei sind nach eigener Aussage Unternehmen aller Größenordnungen und Branchen! Gemäß dieser „Unternehmensvertretung“ in Rechtsfragen sind im Bereich der Wirtschaft – neben Erwägungsgrund 47, Satz 7 berechtigte Interessen u.a. auch das Interesse an der Gewinnerzielung! (>>)

Ich habe wahrlich nichts gegen das Interesse an Gewinnerzielung per se. Im Gegenteil, Unternehmen (und Private) MÜSSEN Gewinnerzielung anstreben. Andernfalls ist die Überlebensfähigkeit gefährdet!

Jedoch hat ganz sicher auch JEDES Datenhandelunternehmen ein Interesse an Gewinnerzielung. Diese Joker-Begründung kann daher von jedem zu jeder Zeit gezogen werden.
In Verbindung mit dem berichtigten Interesse „Direktwerbung“ aus Erwägungsgrund 47, Satz 7 bestehen deshalb m. E. im Grunde keine Einschränkungen mehr „für die Verarbeitung personenbezogener Daten“, sprich dem Datenhandel.

Näheres zu Bertelsmann und AZ Direct findet ihr in meinem Beitrag
»Datenhandel in Deutschland / Überwachung / Zensur(potential)«

Man könnte meinen, der Bertelsmann-Konzern und seine „Stieftochter“, die AZ Direct GmbH, haben die DS-GVO selbst geschrieben.

Apropos AZ Direct GmbH…

AZ Direct GmbH

Schrankenloser Datenhandel? Habe ich mit dieser These wirklich übertrieben?

Zwischenzeitlich erhielt ich postalisch zwei weitere Werbesendungen. Bei beiden wurden meine Adressdaten von der AZ Direct GmbH zur Verfügung gestellt. Das bei beiden Sendungen „Kleingedruckte“ sieht wie folgt aus:

2 siehe Graphik:
Datenhandel Sektionsmerkmaleaus meinem Beitrag
»Datenhandel in Deutschland / Überwachung / Zensur(potential)«

Sie (die AZ Direct GmbH) verarbeitet auf Grundlage der Interessenabwägung gemäß Artikel 6 (1) (f) DS-GVO Adressdaten und ggf. Selektionskriterien2, um Ihnen Werbung von Unternehmen und Hilfswerken zuzusenden, sowie zur Aktualisierung, Validierung und Anreicherung von Adressbeständen anderer Unternehmen.

Es lohnt sich immer das Kleingedruckte zu lesen. Das sind die Dinge, die versteckt werden sollen. Und grundlos wird nichts versteckt!

Die Bundesbeauftragte für den
Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI)

Zu der im vorliegenden Beitrag dargestellten Thematik – oder besser – Problematik des Artikel 6 (1) (f) sowie des Erwägungsgrundes 47 der DS-GVO kontaktierte ich auch die BfDI:

Welche „berechtigten Interessen“ von wem könnten das sein, die die Verarbeitung – den Handel – meiner Adressdaten rechtfertigt – insbesondere in Bezug auf DSGVO, Erwägungsgrund 47, Satz 7?

Die Antwort war – wie üblich, bei Anfragen an offizielle Stellen -absolut unkonkret bzw. nichtssagend und entsprechend nutzlos. Auch die angepriesenen…

Näheren Informationen hierzu können Sie auch dem von der Datenschutzkonferenz veröffentlichten Kurzpapier „Verarbeitung personenbezogener Daten für Werbung“ entnehmen. Dies ist unter anderem auf unserer Internetseite unter: https://www.bfdi.bund.de/DE/Home/Kurzmeldungen/DSGVO_Kurzpapiere1-3.html?cms_templateQueryString=Kurzpapiere&cms_sortOrder=score+desc abrufbar.

… sind kein bisschen hilfreich. Ob nicht gewollt oder nicht gekonnt? Keine Ahnung, beides ist gleichermaßen ein Armutszeugnis. Aufklärung ist anders!

Folgendes Zitat der Bundesdatenschutzbeauftragten Frau Andrea Voßhoff ist zwar etwas aus dem Zusammenhang gerissen, fasst die meiner Meinung nach bestehende Faktenlage jedoch recht treffend zusammen:

Beim Datenschutz geht es nicht um den Schutz von Daten. (>>)

Warum das Pamphlet „D a t e n s c h u t z“-GVO getauft wurde, erschließt sich mir vor diesem Hintergrund nicht.

Resümee

Obenstehendes Zitat zur Datenverarbeitung durch die AZ Direct GmbH steht in einem Fall des Werbeoriginals unter der Überschrift Widerspruchsrecht.
Noch (!!) besteht offenbar die Möglichkeit des Widerspruchs, respektive der Löschung der eigenen Daten. Meine Einschätzung des schrankenlosen Datenhandels ist somit nur für den Nichtgebrauch dieses Widerspruchsrechts gültig.

Nutzt es, wer weiß schon, wie lange die Möglichkeit noch besteht.

Ich jedenfalls werde demnächst bei AZ Direct schriftlich vorstellig.

Schlussbemerkungen

Warum reagiere ich beim Datenhandel zu Werbezwecken so allergisch?

Werbung ist eine Art von versuchter Manipulation / Beeinflussung der eigenen Person! An sich ja noch völlig legitim! Die Branche überreizt es jedoch. Ich fühle mich einfach nur noch belästigt. Das nervt! Ich bin nicht mehr gewillt, das „willenlos“ hinzunehmen. Der eigentliche Knackpunkt ist jedoch folgender:

Durch den nachweisbar dazugehörigen Handel mit PERSÖNLICHEN Daten – noch dazu über den eigenen Kopf hinweg, ohne eigene Einwilligung – wird einem partiell die Kontrolle über die eigene Person entzogen. Man wird durch wer weiß wen zum Spielball von wer weiß wem (»Datenhändler: Wir sind gläsern – Datensammler«)! Ein für mich unerträglicher Zustand – der eigentlich für jeden sich einigermaßen selbstbestimmend wollenden Menschen unerträglich sein sollte!! Die diesbzgl. Gleichgültigkeit / Ignoranz der großen Masse kann ich einfach nicht nachvollziehen!

Das große Feld Manipulation / Beeinflussung durch andere, die Gefahr des Missbrauchs war und ist allgegenwärtig!

Abschließend daher abschreckendes zum Nachdenken

Aus „Mein Kampf“ von Adolf Hitler:
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Die drei Zeitungslesergruppen.
[…] Man kann dabei ihre Leser im Großen und Ganzen in drei Gruppen einteilen: erstens in die, die alles, was sie lesen, glauben; zweitens in solche, die gar nichts mehr glauben; drittens in die Köpfe, welche das Gelesene kritisch prüfen und danach beurteilen.

Die erste Gruppe ist ziffernmäßig die weitaus größte. Sie besteht aus der großen Masse des Volkes und stellt demgemäß den geistig einfachsten Teil der Nation vor.
[…]
Sie sind nicht in der Lage oder nicht willens, das ihnen Dargebotene selber zu prüfen, so daß ihre gesamte Einstellung zu allen Tagesproblemen nahezu ausschließlich auf die äußere Beeinflussung durch andere zurückzuführen ist. Dies kann von Vorteil sein dann, wenn ihre Aufklärung von ernster und wahrheitsliebender Seite vorgenommen wird, ist jedoch von Unheil, sowie dies Lumpen und Lügner besorgen.

… und die zeitgemäße Version davon:

Alle wissen alles über Sie, Ihre Daten werden lebenslang gespeichert, damit man Sie jederzeit in der Hand hat. Jedes Datum Ihrer Bewegungen, jedes Datum Ihres Austausches mit anderen Menschen, kann jederzeit von Machtinstitutionen kontrolliert und abgezogen werden. Wir werden es noch hinreichend erleben, wie durch so gewonnene Daten, die heute noch unter Terrorabwehr laufen, eines Tages unsere Demokratie aufgehoben wird. Die Erfahrungen mit der Staatssicherheit in der DDR und dem nationalsozialistischen Hitler-Regime lehren uns doch, wie schnell solche Daten missbräuchlich verwendet werden können. (>>)