100 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050: Realismus tut not!

100 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050? Geht das?

Vorbemerkungen

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Stromerzeugung und Speicherung von erneuerbaren Energien

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Datengrundlage für diesen Beitrag bzw. die Graphiken:

Zeitreihen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland

In diesem Beitrag werde ich versuchen aufzuzeigen, dass die (politische) Vorgabe „100 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050“ (>>) meiner Meinung nach Augenwischerei ist. Klingt gut, ist politisch und gesellschaftlich gerade opportun (mit „Umweltschutz“ und „Energiewende“ kann man immer und überall punkten) und wird entsprechend propagiert; mehr Realismus tut m. E. jedoch not.

Eine realistische Herangehensweise ist das Einzige, das zumindest potentiell Lösungen hervorbringen kann. Wunschdenken entsprechendes Handeln schiebt das in den Hintergrund – bis es möglicherweise zu spät ist?

 

Erneuerbare Energien: Anteile der verschiedenen Erzeugerarten an der Bruttostromerzeugung (1990 bis 2017)

Erneuerbare Energien_Anteile Erzeugerarten an der Bruttostromerzeugung 1990 bis 2017Zum Einstieg nebenstehende Graphik 1. Sie zeigt, dass der Anteil der Stromerzeugung durch Windenergie (on- und offshore) + Fotovoltaik immer dominanter wird. Mit zuletzt 67 % im Jahr 2017 wurden etwas mehr als 2/3 der gesamten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien durch Wind und Sonne generiert.

Aufgrund der ausgeprägten Dominaz der Stromerzeugung aus Wind und Sonne, werde ich mich im Weiteren ausschließlich darauf konzentrieren.

Zumal für die Zukunft davon ausgegangen werden kann, dass sich der Anteil, dem von Beginn an vorherrschenden Trend folgend, weiter erhöhen wird.
Ich werde später darauf zurückkommen.

Richtig interessant wird es aber erst jetzt:

Windenergie (on- und offshore) + Fotovoltaik:
Volllaststunden (1990 bis 2017)

Windenergie (on- und offshore) und Photovoltaik (1990 - 2017) VolllaststundenNebenstehende zweite Graphik zeigt die betrieblichen Volllaststunden, aufgesplittet in

  • Windenergie (on- und offshore)
  • Fotovoltaik
  • Windenergie (on- und offshore) + Fotovoltaik gesamt

Im Ergebnis ist folgendes festzuhalten:

  • Windenergie-Anlagen laufen – bildlich gesprochen – lediglich zwischen rd. 15 % und 22 % der Betriebszeit unter Volllast (Tendenz zuletzt leicht steigend, ggfs. durch den vermehrten Aufbau von Offshore-Anlagen).
  • Fotovoltaik-Anlagen laufen – bildlich gesprochen – lediglich zwischen rd. 5 % und 11 % der Betriebszeit unter Volllast (nachts scheint eben keine Sonne).
  • Insgesamt schwankt die jährliche „Volllastzeit“ seit 1990 in einer Bandbreite von ungefähr rd. 12,5 % bis 17,5 %.

Volllaststunden sind ein Maß für den Nutzungsgrad; Strom wird natürlich nicht nur unter echten Volllast-Bedingungen erzeugt. Es wird bereits an dieser Stelle deutlich, dass die real erzeugte „Strommenge“ signifikant unter der maximal möglichen „Strommenge“ liegt.

Wir vertiefen diesen Punkt:

Entwicklung installierte Leistung und tatsächlich erzeugte Leistung (1990 – 2017)

Windenergie gesamt und Photovoltaik Entwicklung installierte Leistung und tatsächlich erzeugten Leistung 1990 - 2017Nebenstehende dritte Graphik zeigt die Entwicklung der installierten Leistung sowie der tatsächlich daraus „erzeugten“ Leistung.

Im Ergebnis ist folgendes festzuhalten:

  • Die installierte Leistung (Nennleistung) liegt seit 1990 um rund das 5-fache bis 8-fache über der tatsächlich „erzeugten“ bzw. für die Stromerzeugung effektiv verwendeten Leistung; der Mittelwert liegt bei Faktor 6,46.
  • Anders formuliert: für jedes Kilowatt Leistung, mit dem dann effektiv Strom erzeugt werden kann (= kWh), mussten fünf bis acht – im Schnitt 6,46 – Kilowatt Leistung neu installiert werden.
  • Dritte Interpretationsvariante (die ketzerische): rund 80 % bis 90 % der installierten Leistung liegen brach bzw. rund 80 % bis 90 % der installierten Leistung erzeugen keinen Strom, müssen aber hergestellt, aufgebaut und bezahlt werden.

Vorstehendes ist für die Stromerzeugung aus Wind- und Sonnenenergie eigentlich ein bekannter systemimmanenter Effekt. Entsprechende Begriffserläuterungen, Werteangaben, etc. sucht man in den einschlägigen Hochglanz-Werbe-Broschüren und / oder den oft genug interessen- und ideologiegesteuerten Berichten jedoch vergeblich; ganz zu Schweigen von offiziellen, politischen Informations- bzw. doch eher „Werbeseiten“ (siehe exemplarisch folgend „Verschleierungstaktik“). Ohne gezieltes Suchen – was im Grunde das Wissen darüber bereits voraussetzt – ist dieser wichtige Sachverhalt im Prinzip nicht existent.

Kurzer, aber notwendiger Einschub:
Verschleierungstaktik

Windenergie BRD 1990 bis 2017Nebenstehende Graphik stammt vom „Informationsportal Erneuerbare Energien des Bundesministerium für Wirschaft und Energie“.

Gezeigt wird die Entwicklung der installierten Leistung von Windenergieanlagen sowie die daraus erzeugte Strommenge.

Schaut sie euch genau an!!

Im Ergebnis ist folgendes festzustellen:

  • Rein sachlich ist die Darstellung korrekt.
  • Dargestellt werden jedoch zwei unterschiedliche Sachverhalt:
    Primärachse: Stromerzeugung in Milliarden Kilowattstunden;
    Sekundärachse: installierte Leistung in Millionen Kilowatt
  • Durch die gewählte Darstellungsart wird – insbesonderer dem technisch gemein hin nicht ausreichend versierten Bürger – suggeriert, dass die installierte Leistung und die entsprechende Stromerzeugung verlustfrei Hand in Hand gehen. Das dies nicht annähernd der Realität enspricht, habe ich oben aufgezeigt.
  • Im „Informationsportal Erneuerbare Energien“ habe ich KEINE einzige Graphik o. ä. gefunden, welche die installierte Leistung im Vergleich zur tatsächlich daraus „erzeugten“ Leistung darstellt – bspw. ähnliches wie meine dritte Graphik oben.
  • Für mich ist das politisch vorgabenbedingte, gewollt beschönigende Verschleierungstaktik.
  • Ein schönes Beispiel, wie man ohne zu Lügen die Wahrheit vernebeln kann.

Ende Einschub!

100 Prozent Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050?

Wie könnte die Situation im Jahr 2050 aussehen?

Das von mir diesbezüglich erstellte Szenario ergab im Kern folgende Ergebnisse:

  • Stromverbrauch: 675 Mrd. kWh
  • Mittels Wind- und Sonnenenergie zur Verfügung zu stellende Leistung: mind. 62 GW
  • Erforderliche installierte Leistung aus Wind- und Sonnenenergieanlagen zur Sicherstellung der 62 GW benötigten Leistung: 401 GW
  • Bis zum Jahr 2050 NEU zu installierende Leistung: 300 GW
  • Bis zum Jahr 2050 JÄHRLICH NEU zu installierende Leistung: 9,4 GW bzw. 9.400 MW

Die zu Grunde liegenden Berechnungen und Annahmen etc. sind detailliert unten angehängt. Nachstehende Graphik visualisiert das von mir erstellte Szenario:

Windenregie und Photovoltaik Entwicklung installierte Leistung und tatsächlich erzeugten Leistung 1990 bis 2017
Was bedeutet dies? Zur Einschätzung der sachverhaltsbezogenen Größenordnungen folgende – zugegebenermaßen etwas plakative – Beispiele:

Beispiel 1: Von dem bereits oben erwähnten weltgrößten Offshore Windpark mit einer Leistung von 659 Megawatt und 87 Offshore Windturbinen müssten die nächsten 32 Jahre jedes Jahr 14 Stück erbaut werden (9.400 MW / 659 MW).

Beispiel 2: Dem größten Windpark Deutschlands, mit 177,1 MW Nennleistung und 81 Windkraftanlagen, entsprechende Anlagen, müssten die nächsten 32 Jahre jedes Jahr 53 Stück erbaut werden (9.400 MW / 177,1 MW).

Mit Solaranlagen will ich erst gar nicht anfangen.

Und das nur für Deutschland!!

Fazit

Selbstverständlich ist bei meinem Überlegungen viel Kaffeesatzleserei dabei. Die dargestellten Größenordnungen halte ich jedoch für einigermaßen realistisch – ein paar Gigawatt mehr oder weniger sind dabei belanglos.

Neben den Problemen der Speicherung, der „geregelten“ Einspeisung bzw. dem Erhalt der Regelbarkeit des Stromnetzes, der Dunkelflauten u.v.m. (siehe eingangs aufgeführte Links) bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien – und insbesondere aus Wind- und Photovoltaikanlagen -, ist schlicht die erforderliche Strommenge bzw. die erforderliche Nennleistung für „100 % grünen Strom“ nicht darstellbar.

Schlechter Nutzungsgrad bzw. die geringe Zahl von Volllaststunden erzwingen die Installation eines Vielfachen des effektiv Benötigten. Mglw. wird dieses Mißverhältnis zukünftig durch zusätzliche Offshore-Windparks, verbesserte Technik usw. etwas aufgebessert. Eine 100-prozentige Umstellung auf Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien halte ich jedoch für illusorisch – egal bis wann. Dabei sind die Kosten noch nicht mal berücksichtigt, die technischen Aspekte reichen für diese Einschätzung.

Wunschdenken, politische Profilierung, ideologische Verbohrtheit etc. sollten dringend dem so ungeliebten Realismus weichen. Andernfalls droht meiner Meinung nach wirklich unschönes.

 

P.S.: Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Ich hätte absolut nichts dagegen, wenn ich mit allem 100 % daneben liege!

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.Berechnungen / unterstelltes Szenario für das Jahr 2050:
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Annahmen für das Jahr 2050
WertBemerkungen / Link usw.
100 % Strom aus erneuerbaren Energien
 
Stromverbrauch:
Der Nettostromverbrauch aus dem Jahr 2017 wird auch für das Jahr 2050 angenommen.530 Mrd. kWh(>>)
Zusätzlich wird die angestrebte, vollständige Umsetzung zur Elektromobilität als gegeben unterstellt ⇒ zusätzlicher Stromverbrauch:
145,16 Mrd. kWh(>>)
Summe 1.) und 2.):rd. 675 Mrd. kWh
Stromerzeugung: 
Mittels Wind- und Sonnenenergie werden rd. 80 % des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt
(der Rest entfällt auf Wasserkraft etc. und wird hier nicht weiter betrachtet).
540 Mrd. kWhFortführung des oben in Graphik 1 dargestellten Trends bis auf 80%;
675 x 0,8 = 540 Mrd. kWh
Um die benötigten 540 Mrd. kWh bzw. 540.000 GWh Strom erzeugen zu können, muss mindestens folgende Leistung zur Verfügung stehen:62 GW540.000 GWh / 8.760 h (Jahresstd.) = 62 GW
Erforderliche installierte Leistung:
Es wird der langjährige Mittelwert des Verhältnisses effektive Leistung zur installierten Leistung von 6,46 angesetzt.401 GWsiehe dritte Graphik oben;
62 GW x 6,46 = 401 GW
Zeitdifferenz:
32 Jahre
2050 – 2018 = 32
Bis zum Jahr 2050 NEU zu installierende Leistung:
rd. 300 GW
401 GW – 98,27 GW (bereits bestehende Anlagen)
Bis zum Jahr 2050 JÄHRLICH NEU zu installierende Leistung:rd. 9,4 GW
bzw.
rd. 9.400 MW
 300 GW / 32 Jahre ≈ 9,4 GW