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Vorgeschichte
In meinem Beitrag vom 22.12.2018
bin ich auf den Handel mit meinen persönlichen Daten durch die B2B Smart Data GmbH eingegangen. Ich forderte B2B schriftlich (per E-Mail) auf, meine Daten aus ihrer Datenbank zu löschen. Gemäß des entsprechenden Antwortschreibens von B2B soll dies auch vollständig erfolgt sein. Werbung mit durch B2B weitergegebenem Daten-/ Adresssatz meiner Person erhalte ich bis dato nicht mehr. Widerspruch scheint demnach nicht vollkommen umsonst zu sein.
Schon in obigem Beitrag ging ich auf weitere postalisch erhaltene Werbesendungen ein. Diesen wurden meine Adressdaten von der AZ Direct GmbH zur Verfügung gestellt (Details zur AZ Direct siehe meinen Beitrag »Datenhandel in Deutschland / Überwachung / Zensur(potential)«).
Zwischenzeitlich erhielt ich noch weitere Werbungen. Auch bei diesen stammten die Adressdaten von der AZ Direct.
Also habe ich die AZ Direct um Datenauskunft gemäß Art. 15 DS-GVO ersucht. Das vollständige Antwortschreiben ist hier einsehbar: Az-Direct__18.03.2019.
Erwägungsgrund 47 DS-GVO
Zum “Aufwärmen” verweise ich zunächst nochmal auf den “Freibrief” Erwägungsgrund 47 der DS-GVO, welcher auch in obigem Antwortschreiben der AZ Direct explizit als Begründung der Rechtmäßigkeit des Datenhandels geliefert wird.
Die Verarbeitung von Adressen für Werbezwecke ist zulässig, falls Sie darin eingewilligt haben, oder dies zur Wahrung unserer berechtigten Interessen oder der eines Dritten erforderlich ist,…
Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung wird nach Erwägungsgrund 47 DS-GVO als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet.
Prima! Eine Datenschutz–Grundverordnung, die die Weitergabe von personenbezogenen Daten aus Gründen der Direktwerbung zulässt, ist keine Datenschutz-Grundverordnung. Sie ist eine Werbeschutz-Grundverordnung!!
Und damit das niemand kapieren kann, wurde sie als undurchschaubares, aufgeblasenes Bürokratiemonster “entworfen”.
Weiter im Text: Von den sieben Seiten des Antwortschreibens sind für mich fünf Punkte besonders bemerkenswert:
Besonders bemerkenswerte Punkte
1.) Robinsonliste
Im Begleitschreiben wird empfohlen:
Wenn Sie generell nicht an Direktwerbesendungen interessiert sind, empfehlen wir Ihnen, sich kostenlos in die Robinsonliste eintragen zu lassen.
Hierzu ist folgende Meldung interessant: DDV-Robinsonliste geht an die Deutsche Post Adress. Die Deutsche Post ist einer der größten Datenhändler überhaupt.
Allerdings passt diese Meldung so gar nicht zu meinem oben verlinkten Beitrag (– Robinsonliste: Verbraucherschutz vor unerwünschter Werbung / Der Bock zum Gärtner!?). Das Impressum von robinsonliste.de weist als Zuständigen für Zustellanschrift & Service sowie Administrative Verwaltung ein Unternehmen Namens QUADRESS GmbH aus Bochum aus, nicht die Deutsche Post.
Diese Widersprüche zeigen nur wieder mal, dass der Datenhandel-Sumpf nicht begehbar ist. Kein normaler Mensch hat die Möglichkeit, das auch nur ansatzweise zu Durchblicken.
2.) Adressvermietung und Anreicherung von Adressbeständen…
Das Auskunftsblatt wird wie folgt eingeleitet:
Ihre folgenden personenbezogenen Daten haben wir in der AZ Direct GmbH gespeichert:
Adressdaten
Verwendung für die Adressvermietung gem. Art. 6 Abs.1 f + Erwägungsgrund 47 DSGVO für eigene und fremde Werbezwecke, zur Anreicherung von Adressbeständen und zur Aktualisierung und Validierung von Adressbeständen, für Sperrzwecke (Will keine Werbung, Robinson-Liste) sowie Verwendung für den Adressverifizierungsservice AZ Pick (Prüfung der postalischen Zustellbarkeit).
»Adressvermietung«! Entsprechend gibt es also auch Adressmieter! Wer? Wo? Zu welchem Zweck? Im Hintergrund laufen anscheinend unsichtbare Prozesse ab, die der Kontrolle des Adressinhabers völlig entgleiten.
Auch die gewählte Formulierung »Anreicherung von Adressbeständen« lässt viel Raum für “fröhliches Herumgereiche” der Daten. Angereichert werden demnach nicht Adressbeständen der AZ Direct selbst, sondern ganz allgemein irgendwelche Adressbestände!
Mit »AZ PICK« (Person Identification Check) werden Zustelladressen – so verkündet die AZ Direct stolz selbst – zur Adressverifizierung mit 150 Millionen Adressdatensätzen der Referenzdatenbestände der AZ Direct abgeglichen.
Es gibt etwa 83 Millionen Bürger und 41 Millionen Haushalte in Deutschland. Allein die AZ Direct besitzt 150 Millionen Adressdatensätzen.
Fühlt sich noch jemand unbeobachtet?
3.) Geisterhafte Adresslieferantin
»Media Information Systems AG / GmbH«
Höchst dubios ist folgendes! Das Auskunftsblatt führt auf:
Ihre Adresse haben wir von folgendem Lieferanten erhalten:
Media Information Systems AG, Bitzighoferstr. 9, eH-6060 Sarnen vertreten durch Media Information Systems GmbH, Bavariaring 16, 80336 München
Zunächst ist zu fragen, von wem wiederum die Media Information Systems (MIS) die Adresse erhalten hat?! Wer ist der “Erstverteiler” / die “Ursprungsquelle”? Das alles ist – m.M.N mit voller Absicht – überaus undurchsichtig!
Höchst dubios wird es, wenn man versucht, im Internet Informationen über die MIS zu erhalten. Man findet nämlich genau … so gut wie NICHTS – weder zur AG in der Schweiz, noch zur GmbH in Deutschland gibt es bspw. eine Homepage. Allein das ist schon mehr als merkwürdig. Die spärlich zu findenden Informationen verstärken die Merkwürdigkeit jedoch tatsächlich noch:
- Die AG in der Schweiz soll maximal neun Person beschäftigen und hat ein eingetragenes Kapital von mickrigen 100.000 CHF (>>)
- Die GmbH aus Deutschland wird im “Telefonbuch” und bei “Cylex” gelistet. Als zugehörige Website wird im Telefonbuch http://www.duepunti.de/ aufgeführt, bei Cylex dagegen http://aktimed-shop.de/; beide Seiten führen ins Leere und haben schon namentlich nichts mit der MIS zu tun!
Das trägt schon beinahe den Geruch von Briefkastenfirmen. Ich fasse zusammen:
Ein geisterhaftes “Micro-Unternehmen” aus der Schweiz, vertreten durch ein ebenso geisterhaftes Unternehmen aus Deutschland – mit Listeneinträgen, die ins Nirvana führen -, beliefert einen der Platzhirsche am Markt – die AZ Direct -, welche wiederum als Tochter der Bertelsmann-Arvato letztlich zum Giganten Bertelsmann gehört, mit Adressdaten.
Definition “dubios”: fragwürdig, zweifelhaft, zwielichtig, suspekt -wie passend!
4.) Adressbezieher Sozial- und Hilfsorganisationen
In den letzten 24 Monaten wurde meine Adresse für die Werbung folgender Unternehmen eingesetzt:
- Deutscher Caritasverband e. V. Caritas international
- MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH
- Deutsche Fernsehlotterie gemeinnützige GmbH
- Deutsches Komitee für Unicef
- Aktion Mensch e. V.
- Don Bosco Mission
- Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V.
- Deutsche Krebsgesellschaft e. V.
- Amnesty International Deutschland e. V.
- Ärzte ohne Grenzen e. V.
- SOS-Kinderdörfer weltweit Hermann-Gmeiner-Fonds
- MFK Mund- und Fußmalende Künstler Verlag GmbH
Die Adressempfänger sind “leicht” sozial- und hilfsorganisationslastig. Wie ist dieser eindeutige Fokus begründbar? Wie kann aus den Daten des mir zur Verfügung gestellten Auskunftsblatts der AZ Direct diese (angebliche) persönliche Präferenz abgeleitet werden? M.M.n gar nicht!!
Wenn die Daten des Auskunftsblatts die einzigen sein sollen, die über mich datenbanktechnisch erfasst sind, ist das einfach nicht möglich! Es muss demnach noch wesentlich mehr existieren. Irgendwo im Labyrinth Datenhandel müssen mir weitere personenspezifische Bewertungsmerkmale zugeordnet sein. Anders ist das für mich nicht erklärbar. Die Auskunft der AZ Direct stellt m. E. lediglich die Spitze des Eisbergs dar.
Angenommen, solche “ergänzenden” Bewertungsmerkmale existieren – wovon ich ausgehe. Was ist die Ursache, um mich in die Schublade “potentiell empfänglich für Spenden an Sozial- und Hilfsorganisationen” zu stecken?
Ich habe exakt zu einer einzigen dieser Organisationen “Kontakt” in Form von monatlichen Spenden per Dauerauftrag; mehr nicht! Dies zu Grunde legend, bleiben lediglich zwei Quellen für die Weitergabe meiner Adresse mit Bezug auf Sozial-/ Hilfsorganisationen: meine Bank (Daten des Dauerauftrags) sowie die die Spenden empfangene Organisation. Beide Möglichkeiten sind gleichermaßen verwerflich! Es könnte sich lohnen, weitere Datenauskünfte gemäß Art. 15 DS-GVO anzufordern!
Man könnte der Meinung sein, der Zweck heiligt die Mittel in diesem “guten”, potentiell Sozial- und Hilfsorganisationen unterstützenden Fall zurecht. Ich persönlich finde es jedoch eher befremdlich, dass sich diese Organisationen als bereitwillige Datenempfänger hergeben. Die Nachfrage bestimmt den skrupellosen Markt. Das ausgerechnet Sozial- und Hilfsorganisationen durch ihre Nachfrage dem gläsernen Mensch durch ihren Datenhandel Vorschub leisten, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Im Übrigen: meine Dauerauftragsspenden habe ich ganz ohne vorhergehende Werbungspost eingerichtet. Es geht auch ohne diesen nervigen Werbebsche…!
5.) Informationspflichten nach Art. 13 DS -GVO für Korrespondenz
im Rahmen der Geltendmachung Ihrer Betroffenenrechte
Unter dieser sperrigen Anhangsüberschrift ist unter Punkt 4 des Auskunftsblatts folgendes ausgeführt:
4. Wer bekommt meine Daten?
a) War Ihre Adresse bereits bei uns gespeichert und haben Sie Widerspruch gegen den weiteren Erhalt von Werbung eingelegt, haben wir Ihre Adresse mit einem entsprechenden Sperrkennzeichen versehen. Dadurch stellen wir sicher, dass Ihre Adresse zukünftig nicht mehr für Direktwerbung eingesetzt wird.
Nicht mehr für Direktwerbung! Also nicht nicht für alle möglichen anderen Verwendungszwecke? Vice versa bedeutet dies, bei Sperrkennzeichnung erhalte ich zwar keine Direktwerbung mehr, alles weitere – was auch immer das im Detail sein mag; da durchzublicken ist unmöglich – scheint jedoch weiterhin erlaubt. Von Löschung bzw. dem Verbot der Weitergabe meiner Daten o. ä. ist keine Rede. Einmal im System, immer im System! Aldous Huxley würde sich im Grab umdrehen, wenn er diese Entwicklung mitbekommen würde.
Resümee
Meine Anfragemail an die AZ Direct zur Datenauskunft habe ich am 17.03.2019 versandt. Das entsprechende Antwortschreiben stammt vom 18.03.2019 und war bereits am 19.03.2019 in meinem Briefkasten. Diese mehr als prompte Reaktion deutet für mich auf eine gewisse Nervosität der Protagonisten hin (?); woher auch immer diese herrührt(?). Es scheint sich jedenfalls zu lohnen, die Datenhändler mit solchen Anfragen um Datenauskunft und Löschungsanweisungen zu ärgern.
DAS ist mein Resümee. Gehet hin und ärgert diesen skrupellosen Sumpf. Das scheint bei diesem unendlich verschachtelten, vollkommen undurchsichtigen Gestrüpp des Datenhandels das Einzige zu sein, das auch nur ansatzweise “erfolgsversprechend” sein könnte.
So es denn überhaupt jemanden interessiert, immer gläserner und zunehmend zum fremdgesteuerten Spielball zu werden?