Datenhandel – personalisierter Werbekatalog (hier: B2B Smart Data GmbH / Rajapack GmbH)

Vorgang

Vergangene Woche fand ich in meinem Briefkasten einen persönlich an mich adressierten Werbekatalog der Firma Rajapack GmbH; nach eigenem Bekunden „Europas Nr. 1 im Verpacken“.

RajapackIm „Kleingedruckten“ des beigelegten Anschreibens der Firma Rajapack ist aufgeführt, dass

„uns Ihre (meine) Adressdaten für den Versand dieses Kataloges von der B2B Smart Data GmbH, Königswinterer Straße 418, 53227 Bonn übermittelt wurde“.

Wenn Privatsphäre gesetzlos wird, haben nur Gesetzlose Privatsphäre.
(Phil Zimmermann)

Zu argumentieren, dass Privatsphäre einem egal ist, weil man nichts zu verbergen hat, wäre genauso als würde man sagen, dass einem Redefreiheit egal ist, weil man nichts zu sagen hat.
(Edward Snowden)

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
(Martin Niemöller)

Der Vorgang an sich ist lächerlich, da ich nicht im Geringsten irgendetwas mit Verpackungen zu habe. Trotz – oder gerade wegen – dieser offensichtlichen Fehlallokation wird jedoch überdeutlich, was da im Hintergrund an Datenhandel abzulaufen scheint, ohne dass „Lieschen Müller“ auch nur ansatzweise die Dimensionen erfassen kann.
Abgesehen davon, dass „Lieschen Müller“ natürlich ohnehin nichts zu verbergen hat (wie oft habe ich den Spruch schon zu hören bekommen ) und offenbar gerne fremdgesteuert wird, das Thema Datenhandel usw. also völlig uninteressant ist und dementsprechend auch keine Rolle im Leben von „Lieschen Müller“ spielt.

Ich für meinen Teil habe beide oben genannten Firmen mittels derselben E-Mail kontaktiert (siehe unten). Ich bin gespannt, wie die Antwort ausfällt – falls überhaupt darauf reagiert wird. Sollte dies der Fall und die Antwort von allgemeinem Interesse sein, werde ich sie hier veröffentlichen.

(Update 25.12.18: Der weitere Fortgang der Korrespondenz mit B2B – einschließlich einiger SEHR interessanter Antworten – ist in meinem Beitrag Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) – Persilschein Erwägungsgrund 47, Satz 7 (DS-GVO): »Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.« – dokumentiert!)

An dieser Stelle möchte ich jedoch auf etwas anderes hinaus.

Robinsonliste
Verbraucherschutz vor unerwünschter Werbung

Eine Robinsonliste ist eine Schutzliste mit Kontaktdaten von Personen, die keine unaufgeforderte Werbung erhalten wollen. Sie dienen dem Verbraucherschutz vor unerwünschter Werbung via Briefpost, E-Mail, Mobiltelefon, Festnetztelefon und Telefax. (Wikipedia)

Eine vielfach empfohlene Robinsonliste ist die Seite https://www.robinsonliste.de/
Dort wird folgendes erklärt:

Der kostenlose Eintrag in die Robinsonliste schützt den Verbraucher besser vor unangeforderten Werbesendungen und Telefonanrufen.
Der Abgleich deutscher Werbevermarkter erfolgt verschlüsselt. Verbraucherdaten werden dabei in keinem Fall offen gelegt.

Klingt soweit eigentlich ganz gut! Pikant daran sind jedoch folgende Details:

Der Bock zum Gärtner!?

QUADRESS GmbH alias B2B Smart Data GmbH

Das Impressum von robinsonliste.de weist als Zuständigen für Zustellanschrift & Service sowie Administrative Verwaltung ein Unternehmen Namens QUADRESS GmbH aus Bochum aus.

Pikanterweise ist oben genannte, Adressdaten übermittelnde B2B Smart Data GmbH nach eigener Aussage aus einem Joint Venture der Firmen marancon Gesellschaft für Marketing, Analyse und Consulting mbH und der QUADRESS GmbH entstanden.

Beide Unternehmen haben sich zusammengeschlossen und aus ihren jeweiligen Kernkompetenzen (Analysen und Datenbanken) die B2B Smart Data GmbH mit den Produkten B2B Web Scoring® und B2B Identifier entwickelt.

Explizit wird im Impressum von robinsonliste.de auf die Homepage und E-Mail-Adresse der QUADRESS GmbH verwiesen.

Allein das hat schon ein „Gschmäckle“. Jedoch sind weitere, fragwürdige Verknüpfungen vorhanden:

Träger der Robinsonlisten sind der I.D.I. Verband e.V. in München als Gründer seit 2001 (www.idi.de) sowie der Verein der Deutschen Robinsonlisten e.V. in Bochum als Betreiber seit 2010 (http://www.deutsche-robinsonlisten.de).

Im Vorstand des I.D.I Verband e.V sitzt ein gewisser Herr Daniel Simon. Herr Daniel Simon ist zugleich Geschäftsführer der QUADRESS GmbH.

Derselbe Herr Daniel Simon sitzt auch im Vorstand des Vereins der Deutschen Robinsonlisten e.V. Der Verein hat seinen Sitz in der Josef-Haumann-Str. 7a in Bochum. Die QUADRESS GmbH hat ihren Sitz ebenfalls in der Josef-Haumann-Str. 7a in Bochum (Kein Copy and Paste-Fehler! Die Adressen sind tatsächlich identisch!). Die Administrative Verwaltung des Vereins obliegt der QUADRESS GmbH.

Trojanische Pferde?

Was haben wir?
Wir haben ein Unternehmen Namens QUADRESS GmbH alias B2B Smart Data GmbH, welches seinen werbenden Kunden bewiesenermaßen fröhlich und ungeniert Adressdaten – und wer weiß schon, was sonst noch? – zur Verfügung stellt.
Gleichzeitig ist dasselbe Adressdaten übermittelnde Unternehmen jedoch mit dem Schutz vor Ihrer eigenen Arbeit betraut bzw. aufs Engste mit den entsprechenden Schutzorganisationen verbunden (bzw. IST selbst die Schutzorganisation?).

Bin ich der Einzige, der hier diametral gegenläufige Interessenskonflikte sieht?

Bei robinsonliste.de wird ein Schutzkonto erstellt. Dazu muss man sinnigerweise seine zu schützenden, persönlichen Daten angeben. Wenn ich Verschwörungstheoretiker wäre, würde ich theoretisieren, dass hier unter dem vorgeschobenen Deckmantel des Verbraucherschutzes fleißig Adressen der „Abtrünnigen“ gesammelt werden. Bessere „Trojanische Pferde“, eingeschleust in die Phalanx der sich gegen die Datenkraken „wehrenden“ Schutzsuchenden, kann man sich kaum vorstellen. Daten von exakt diesem Personenkreis sind von Werbetreibenden und sonstige Datenbanken bestimmt „effektiv“ einsetzbar. Immerhin gibt man mit dem Eintrag in eine solche Liste mindestens eine charakterliche Grundeinstellung von sich Preis! Über sicherlich nicht unmögliche Querverknüpfungen mit anderen Datenbanken wird die Personencharakterisierung mit diesem zusätzlichen Bausteinchen wieder ein Stückchen exakter! Zum Glück bin ich aber kein Verschwörungstheoretiker .

Datenschutzerklärung

Die Datenschutzerklärung der robinsonliste.de trägt da auch nicht gerade zu meiner Beruhigung bei.

Die Daten, die erhoben werden im Rahmen des Nutzereintrages bei der Robinsonliste werden zur Weitergabe an werbetreibende Unternehmen und / oder Verbände verwendet, die diese Daten dann für die Sperrung der werblichen Ansprachen nutzen wollen im Sinne des Verbraucherinteresses.

Was bitte, ist das für eine verklausuliert geschwurbelte Formulierung!?!?

„…die diese Daten dann…“. Dann? Also nachdem Sie die Daten bereits besitzen!?
„…nutzen wollen…“? Wollen? Und wenn sie sie dann doch nicht nutzen wollen!? Die Daten haben sie dann trotzdem in ihrem Besitz!?

Welches werbetreibende Unternehmen“ will Daten um sie dann dafür zu nutzen, keine Werbung zu schalten? Um keine Werbung für sich zu machen, brauche ich keine Liste! Ressourcen und Geld dafür auzuwenden, gezielt keine Werbung für sich zu platzieren? Das wäre ein schlechtes Unternehmen! Das leuchtet mir alles nicht ein! Es sei denn, das Unternehmen wirbt explizit damit, Werbeschutzlisten zu beachten! Habt ihr eine solche Werbung schon mal gesehen? Ich nicht!

Mag sein, dass es tatsächlich explizit Werbeschutzlisten beachtende Unternehmen gibt. Das kann ich selbstverständlich nicht ausschließen.
Im Großen und Ganzen scheint mir jedoch eher der Bock zum Gärtner erkoren worden zu sein.

Nachwort / Handlungsempfehlungen

Auch wenn es diverse Artikel über die Seriosität und technische Unmöglichkeit des personalisierten Datensammelns bspw. von robinsonliste.de gibt (z. B. hier), ob des oben Gezeigten, ist das Ganze für mich überaus fragwürdig. Natürlich müssen solche vom Grundsatz her zustimmungswürdige Datenbanklisten von irgendjemandem technisch und administrativ gepflegt werden. Aber ausgerechnet von einem Unternehmen, dass meine Adressdaten, ohne meine explizite Zustimmung, an irgendein mir völlig unbekanntes, werbetreibendes Unternehmen übermittelt hat? Das stinkt zum Himmel! Oder sehe ich schon ungerechtfertigterweise überall weiße Mäuse?

Wie auch immer. Es geht nicht nur um Werbung ja oder nein; das ist nur EIN Baustein des Komplexes Datenhandel. Es geht um die mögliche Erstellung eines umfassenden Personenprofils. Ein Personenprofil, welches wer weiß wem vorliegt und mit welchem wer was was angestellt wird. Es unterliegt einfach nicht mehr meiner Kontrolle! Kontrollverlust über sich selbst. Allein aufgrund dieser – meiner Meinung nach nicht mal mehr nur theoretischen – Möglichkeit sollten bei jedem die Alarmleuchten angehen.

Für mich ergeben sich speziell aus vorliegenden Beitrag folgende Handlungsempfehlungen:

  • Grundsätzlich sollte man sich so wenig wie möglich digital ausbreiten. Einträge in Listen – egal welche – sollten nach Möglichkeit vermieden werden. Funktioniert natürlich nicht immer, kann bei sensiblem Umgang mit der Thematik aber wenigstens reduziert werden.
  • Schaut euch etwaige Werbebotschaften genauer an. Geht den Protagonisten auf die Nerven. Und sei es nur, so wie ich, mit einer entsprechenden Mailanfrage (siehe unten). Die Unternehmen müssen mitbekommen, dass sie unter Beobachtung stehen. Heimlichkeit ist der Verbündete der Datenkraken!
  • Ganz allgemein sollte man sich zu dem Thema kundig machen. Je mehr man Bescheid weiß, umso mehr richtet man sein eigenes Handeln entsprechend aus. Das erschwert es den Datenkraken so nach und nach ihre Tentakeln effektiv einsetzen zu können.

Ergänzend und abschließend zitiere ich mich nachstehend aus meinem bereits mehrfach verlinkten Beitrag Datenhandel in Deutschland / Überwachung / Zensur(potential) selbst:

Was kann man tun?

Ein vollständiges Ausklinken aus diesem 1984-Wahnsinn ist nach meiner Einschätzung nicht mehr möglich (keine Chance!); es sei denn, man fristet zukünftig ein Dasein als Eremit, was letztlich aber doch eher keine echte Alternative darstellt .

Um wenigstens nicht vollumfänglich transparent zu sein und – im besten Falle – vielleicht ein letztes Bisschen an Privatsphäre zu erhalten, sehe ich nur eine Möglichkeit, nämlich so wenig Spuren zu hinterlassen, wie möglich.

In meinem Fall sieht das in etwa wie folgt aus:

  • Payback / Ikea Family usw. sind tabu
  • Facebook / WhatsApp usw. sind tabu
  • Ebay nur, wenn gar nichts anderes mehr geht
  • Wenn möglich, bar bezahlen
  • Etwas älteres Handy ohne Android-Google-App-Schnickschnack, Standortdienste usw. deaktiviert
  • Bei Amazon habe ich meine Aktivitäten drastisch runtergefahren. Es gibt für viele Dinge wirklich gute und zumeist auch nicht (viel) teurere Alternativen, bei denen man (hoffentlich!) nicht ganz so „überwacht“ wird – oder es zumindest schwieriger wird. Das ist zwar nicht ganz so bequem und funktioniert auch nicht für alles (dafür ist das Angebot bei Amazon einfach zu gut), ist aber grundsätzlich machbar.
  • Amazon Echo, Google Home etc. vollkommen inakzeptabel
  • Browser: Adblocker, Better Privacy, Cookies setzen wird von mir überwacht, Nachverfolgung deaktiviert, diverse weitere „Anonymisierer“, usw.
  • Startpage, DuckDuckGo als Suchmaschinen
  • uvm.

Womit ich auch schon wieder einiges über mich preisgegeben habe , was es mir an dieser Stelle aber wert war.

Nichts davon schützt wirklich umfassend. Ist man online, hinterlässt man Spuren; bezahlt man mit Kreditkarte hinterlässt man Spuren usw. All das macht jeder von uns, ich auch.
Ein vollständiges Entrinnen geht einfach nicht mehr.
Jedoch muss man das Ganze durch Ignoranz, Bequemlichkeit, Naivität usw. nicht auch noch „aktiv“ unterstützen.

Wir werden zunehmend fremdbestimmt und merken es nicht mal – insbesondere die jungen Generationen, die mit diesem Wahnsinn aufwachsen und ihn daher quasi zwangsweise als alternativlose Normalität wahrnehmen.
Datenhandel und alles was daran hängt ist ein gewichtiger Teil davon.
Man sollte deshalb wenigstens versuchen, wann und wie immer es möglich ist, ihn mit so wenig persönlichen Daten zu versorgen, wie es nur geht.

Und abschließend noch etwas:
Ich fürchte, dass das wirklich ganze, mögliche Ausmaß dieses (Überwachungs)Dilemmas die Bevölkerung erst dann treffen wird – oder es ihr, wenn überhaupt, erst dann richtig bewusst wird -, wenn es mal wieder zu spät ist, nämlich dann, wenn wieder schlechtere Zeiten anbrechen (und das werden sie!!).
Das etablierte System ist prädestiniert dafür, in schlechten Zeiten schrankenlos gegen die eigene Bevölkerung verwendet zu werden – noch viel intensiver als ohnehin bisher schon.

Schöne neue Welt – soll keiner sagen, man konnte es nicht kommen sehen!

 

 

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Meine E-Mail an die Protagonisten:

Betreff:       Datenhandel, hier Rajapack
Von:             „GMX“ <?????????@gmx.de>
Gesendet: 10.11.2018 06:33:22
An:               info@b2bsmartdata.de;info@rajapack.de

Sehr geehrte Damen und Herren der B2B Smart Data GmbH,
sehr geehrte Damen und Herren der Rajapack GmbH,

vergangene Woche war in meinem Briefkasten ein persönlich an mich adressierter Werbekatalog der Firma Rajapack GmbH.

@ B2B Smart Data GmbH:

Im „Kleingedruckten“ des beigelegten Anschreibens der Firma Rajapack ist aufgeführt, dass

„uns Ihre (meine) Adressdaten für den Versand dieses Kataloges von der B2B Smart Data GmbH, Königswinterer Straße 418, 53227 Bonn übermittelt wurde“.

Ich fordere Sie hiermit auf, mir mitzuteilen,

  • wie meine Adressdaten in Ihren Besitz kamen und
  • warum und auf welcher Grundlage Sie meine Adressdaten ohne meine Zustimmung an „wen auch immer“ übermitteln sowie
  • wem weiteres Sie meine Adressdaten zur Verfügung gestellt haben bzw. noch zur Verfügung stellen wollen!

Des Weiteren fordere ich Sie hiermit auf, die Weitergabe meiner Adressdaten zukünftig zu unterlassen und meine Adressdaten und alle sonstigen mich betreffende Daten aus Ihrer Datenbank nachhaltig zu entfernen bzw. zu löschen!

Mit freundlichen Grüßen

…….

@ Rajapack:

Allzu effektiv können die „Ergebnisse der drei Abgleichebenen, aus denen dann für jeden Eintrag im Adressbestand des Kunden eine Trefferwahrscheinlichkeit zugunsten eines B2B- oder im Umkehrschluss B2C-Potenzials berechnet wird“ der B2B Smart Data GmbH meiner persönlichen Meinung nach nicht sein. Ich bin ein „ganz gewöhnlicher“ Privatmensch, der absolut nichts mit Verpackungen zu tun hat und demzufolge der vollkommen falsche Adressat für „Europas Nr. 1 im Verpacken“.

Ich persönlich würde mich daher fragen, ob ich meine Ressourcen und mein Geld an dieser Stelle sinnvoll und effektiv eingesetzt habe! Ihr Werbekatalog wird jedenfalls sogleich ungesehen in den Altpapiercontainer wandern! Wenn ich Kunde der B2B Smart Data GmbH wäre, würde ich, ob dieser offensichtlichen Fehlallokation, das Vertragsverhältnis hinterfragen.

Darüber hinaus fordere ich auch Sie hiermit auf, meine Adressdaten und alle sonstigen mich betreffende Daten aus Ihrer Datenbank nachhaltig zu entfernen bzw. zu löschen.

Mit freundlichen Grüßen

…….

(Update 25.12.18: Der weitere Fortgang der Korrespondenz mit B2B – einschließlich einiger SEHR interessanter Antworten – ist in meinem Beitrag Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) – Persilschein Erwägungsgrund 47, Satz 7 (DS-GVO): »Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.« – dokumentiert!)