Geld, Kredit, etwas Meta-Physik

– DPD: DEBITISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS –

Kurze Vorbemerkung

Wie bereits an anderer Stelle mitgeteilt, werde ich beruflich bedingt die nächsten Wochen so gut wie keine Zeit haben, eigene Beiträge anzufertigen bzw. überhaupt irgendetwas beizusteuern. Daher folgend „auf die Schnelle“ wieder nur ein Foren-Beitrag.

– DPD: DEBITISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS –

Angesichts der gestern stattgefundenen „Europawahl“ und dem damit einhergehenden üblichen, unerträglichen, inhaltsleeren Phrasengewäsch aller Politik- und Medienbeteiligten in aller Kürze folgendes:

Debitismus ist die übergeordnete Realität, in der wir leben. ALLES andere ist belanglos bzw. sogar schädlich / kontraproduktiv, wenn diese Realität nicht berücksichtigt wird. In Anbetracht dessen, wie sind die aktuellen Wahlen – bzw. das entsprechende Parteienangebot – zu bewerten?

Wen soll ein Debitist guten Gewissens wählen? Ich fordere daher die »DPD, die DEBITISTISCHE PARTEI DEUTSCHLANDS« Okay, das ist natürlich nicht ernst gemeint. Das dahinterstehende „Problem“ allerdings schon.

 

 

Geld, Kredit, etwas Meta-Physik

Geschrieben von dottore (alias Paul C. Martin) am 15. Juni 2001 15:17:11:

Hi,

der Mensch sucht Sicherheit in einer unsicheren Welt. Vertrauen in einer ihm nicht vertrauten Umgebung. Er will etwas, auf das er sich verlassen kann. Er möchte, dass die Zukunft in etwa so abläuft wie die ihm schon geläufige unmittelbare Vergangenheit und die ihm bekannte Gegenwart.

Ungern nimmt er zur Kenntnis, das es derlei niemals geben kann.

Daher nimmt er Zuflucht zu Kontruktionen und Gedanken, die ihm Sicherheit, Vertrauen und Verlass verheißen. Ein Gefühl, dass er auch damit scheitern muss, wäre ihm schier unerträglich.

In der Geschichte nahm er gern das Angebot von Göttern, Halbgöttern, schließlich sogar von Diesseitigen an, die ihm Schutz und Hilfe versprachen, die ihm Land gelobten, die ihm Heil und Heilung offerierten und ein gutes, erfülltes sorgenfreies Leben in Aussicht stellten, wenn er sich nur an Gebote und Verbote hielt.

Diese Suche nach etwas Sicherem und Festen können wir in der Ökonomie, was nichts anderes bedeutet, als eine Handweisung zu sein zu einem Sorglos-Leben, heute in vielerlei Gestalt beobachten:

Der Arbeitnehmer weiß, dass ihm geholfen wird („soziales Netz“), wenn er aus seiner Arbeit fällt. Er denkt nicht sehr darüber nach, woher die Mittel kommen, ihm Unterhalt zu geben.

Der Unternehmer weiß, dass er nur groß genug sein muss, um subventioniert zu werden. Er denkt nicht darüber nach, dass die „Mittel“, die ihm dann zufließen, in der Regel nichts anderes sind, als das Umbuchen seiner Verbindlichkeiten auf größere Konten, z.B. das des Staates.

Der Rentner weiß, dass ihm wenigstens irgendeine Rente zustehen wird. Er denkt nicht darüber nach, das es nicht „sein“ Geld ist, das ihm über die Rentenzahlung zurückgegeben wird, sondern jenes, das andere zeitgleich verdienen. Er weiß nicht, dass es keine Rente geben wird, wenn diese Einzahlungen versiegen oder auch nur, dass sie sinken, wenn die Nettolöhne einmal sinken sllten.

Der Beamte weiß sich unkündbar und er vertraut darauf, dass der Staat für ihn auch im Alter sorgen wird. Er denkt nicht darüber nach, wie dies der Staat wohl anstellen soll, wenn ihm die Mittel dazu fehlen, die er nur erhalten kann, wenn der Prozess des Wirtschaftens sich – rätselhaft aus sich selber erwachsend – immer fortgesetzt wird.

Jeder ist von der positiven Fortsetzung des wirtschaftlichen Prozesses abhängig. Niemand aber hinterfragt ernsthaft, wie es denn zur positiven Fortsetzung des wirtschaftlichen Ablaufs überhaupt kommen kann. Oder: Warum überhaupt gewirtschaftet wird und nicht vielmehr nicht.

Hinweise auf „technischen Fortschritt“, „wirtschaftliche Dynamik“, „neue Märkte“, „Osterweiterung“, „Gewinnstreben“, „Leistungsbereitschaft“, „positives Denken“ usw. sind ihm genug.

Es wäre dem Menschen unerträglich, zu erfahren, dass dies alles Worthülsen sind ohne jegliche Bedeutung in dem Sinne, dass sich als gesichert erkannte Ursachen auch zu nicht minder gesicherten Ergebnissen führen.

Ein besonderes Beispiel für das Sich-Keine-Weiteren-Gedanken-Machen ist das Phänomen „Geld“.

Da es eine große Rolle spielt, wie jeder weiß, wünscht man sich ein Geld, das seinerseits kein Risiko darstellt. So konnte es in den USA (und vielfach anderswo) geschehen, dass die Menschen mit einem Geld umgehen, das sich direkt oder indirekt auf ein Bargeld stützt, dass seinerseits gegen Schulden der öffentlichen Hand ausgegeben wird.

Der Staat gilt als sicherer Hort und die Tatsache, dass die Staatsschulden ihrerseits eines Tages in der Zukunft von denen bezahlt werden müssen, die dann im Staatsgebiet leben, kümmert diejenigen, die in der Gegenwart in diesem Staatsgebiet leben, wenig.

Ihre Sicherheit ist die Zukunft, die schon alles richten wird, denn wer wollte an dem positiven Charakter der Zukunft zweifeln?

Ein Geld zu haben, das – wie das heutige – unsicher wäre, weil niemand wissen kann, ob die dem Geld letztlich zu Grunde liegenden Forderungen auch in Form von zusätzlichem Sozialprodukt (nicht angebotenem, sondern realisiertem !) eines Tages in Erscheinung treten, wäre eine höchst unerquickliche Vorstellung.

Die Menschen lauschen daher lieber Vorstellungen vom Geld als einer bereits existenten konkreten Sache. Denn mit Sachen umzugehen, kennen sie aus ihrem Alltag. Aber mit Forderungen, einem Diskont der Zukunft also, lebt es sich schlecht.

Daher ist ihnen die Vorstellung von einer „Geldmenge“ so überaus angenehm. Eine „Menge“ suggeriert etwas sachlich und konkret Vorhandenes. Auch ist es wohliger, sich ein Geld als „Ware“ vorzustellen, denn bei einer Ware ist das Schlimme, nämlich der Übergang vom Noch-Nicht zum Schon bereits erfolgt.

Gold (unsere Gold-Fraktion!) und die Sehnsucht nach der Wiederkehr einer Goldwährung gehört dahin (R.Deutsch). Auch die Idee des „Vollgeldes“, die hier von teddy vorgestellt wurde und die Idee eines „Freigeldes“ mit Warencharakter nicht minder, damit es unschwer (obendrein „umlaufgesichert“ und „preisstabil“ – man beachte die Fang-Worte „sicher“ und „stabil“!) in andere Waren getauscht werden kann (Oldy).

Die Suche nach „Patentlösungen“ in puncto Geld wird niemals enden. Und alle Suche läuft letztlich darauf hinaus, dass es doch etwas Endgültiges, etwas Verlässliches geben müsste, was man nur zu finden braucht.

Die Vorstellung, dass alles Geld immer nur eine Forderung ist und sein kann (egal, wie geschickt verpackt) und im heutigen „Kreditgeldsystem“ ganz unverblümt mit dem Hinweis auch darauf daher kommt, dass letztlich alles Geldliche immer nur Kredite sind, die sich auf früheren Krediten auftürmen (liated bucht uns das immer perfekt vor) und daher mit völliger Unsicherheit auf den Fortgang dieser Forderung behaftet ist, kann einfach nicht akzeptabel sein.

Daher wird die Vorstellung einer unendlichen Kette von Krediten, die Wirtschaften in der Vergangenheit gewesen ist und sich über den Kurzpunkt „Gegenwart“ in die Zukunft fortsetzen muss, soll nicht alles bis zurück zum langfristigsten aller Kredite dergestalt zu Schanden werden, dass alle Kredite in strenger Reihenfolge ihrer Fristigkeit auf Null enden (ohne jemals erfüllt zu sein), als inakzeptabel abgetan und der Einfachheit halber als „abstrus“ und „märchenhaft“ oder auch „debil“ (franco) diskreditiert.

Eine solche Vorstellung muss ganz einfach falsch sein, da die Folgen, die sich aus dieser Vorstellung ergeben, unter keinen Umständen eintreten dürfen. Die Vorstellung der Folgen wird verdrängt, und um dies zu bewerkstelligen, muss man nur die Vorstellung darüber negieren, dass es so sein könnte wie es ist.

Die Monetaristen kommen dem entgegen, indem sie alles Unbill auszuschließen versprechen, wenn man nur die Geldmenge richtig steuere, wie der erfahrene Kapitän sein Schiff richtig zu steuern weiß (Friedman vor allem, wie hier oft genug gepostet).

Die Goldbugs (sorry, Jan!) klammern sich an eine Ware, wissend, dass sie übrig bleiben wird, egal ob Kreditketten reißen oder nicht. Sie übersehen allerdings, dass ein „Preis“ für ihre Ware letztlich nur realisierbar sein wird, wenn die Kredite nicht reißen und es immer ein auf diesen Krediten basierendes „Geld“ geben wird.

Die Vollgeld-Leute versuchen das Problem mit einem Hieb zu lösen, indem sie das Geld, das immer auf Kredit basiert, in eine Ware verwandeln wollen. Die Freigeld-Leute versuchen etwas Ähnliches, und alle geben vor, dass es beim Wirtschaften um ein Tauschen geht und nicht um die Erfüllung früherer Kontrakte.

Tauschen ist etwas Reales, hat mit bereits Vorhandenem zu tun und lässt Spielraum und suggeriert Freiwilligkeit. Schon beim Wort „Tausch“ stellt sich ein wohliges Gefühl ein. Niemand scheint zum Tausch gezwungen. Das Leben ist schön.

Das Erfüllen von Kontrakten ist etwas Unschönes. Es verheißt Anstrengung, der zur Erfüllung Gezwungene muss sich ganz genau nach dem richten, was sein Gegenüber am Markt von ihm verlangt (siehe Debitismus). Und da er immer unter Zeitdruck steht, schließlich gibt es Fristigkeiten, verschlimmert sich noch seine Lage.

Unter Druck zu stehen, was dem heutigen System des Türmens von Kredit auf Kredit, ureigentümlich ist, gilt als „menschenverachtend“ als „unmenschlich“. Dieser grandiose „Systemfehler“ muss also beseitigt werden.

Er lässt sich aber nicht beseitigen, es sei denn, das Geldsystem wird vollständig verdinglicht (der Traum vom „Warengeld“), doch dann erhebt sich die ganz große Frage: Was machen wir mit dem, was bisher schon geschehen ist?

Nicht als ein Geschehen im Reich der Sachen selbst (die also existieren), sondern im inzwischen ins Endlose abtaumelnden Reiche des Versprechens von Sachen (die eben noch nicht da sind).

Das Problem ist nicht zu lösen! Und wer es nicht schon weiß, der spürt es zumindest (die Meisten hier).

Also hat man beschlossen, das ganze Problem dadurch zu negieren, dass immer neue Kredite die alten heilen. Es wird prolongiert und dies da Versprechen immer zinsbewehrt sind, zu immer kolossaleren Konditionen.

Die Kreditpyramiden und damit die Schuldenpyramiden werden mit allen nur erdenklichen Tricks immer weiter hoch gewuchtet in der Hoffnung damit würden sich alles eines Tages irgendwie „von selbst“ erledigen.

Nun gehört es zum Wesen der Konstruktion von Pyramiden, dass sie oben spitz zu laufen, also keine Quadern sind. Je näher man der Spitze kommt, wobei es keine Rolle spielt, ob auch die Basis des Werkes gelegentlich verbreitert wird (solange es noch geht), desto schneller läuft der Prozess ab.

Irgendwann ist alles verbaut, was zu verbauen war. Und die noch nicht ausgeschöpften Kreditauftürm-Möglichkeiten sind erschöpft. Die Spitze ist erreicht. Mehr geht nicht mehr.

Der letzte Stein, der gesetzt wird, ist zugleich jener, der das ganze Bauwerk zum jähen Einsturz bringen wird. Denn der Bau stand und steht unter der Voraussetzung, dass immer weiter gebaut werden kann. Entfällt diese Voraussetzung durch Vollendung, ist es vorbei.

Jeder, der bei Verstand ist, sieht die Pyramide, wie sie schon im allerletzten Stadium des Bauvorhabens steht. So hoch wurde noch nie gebaut, aber die Gefahr, dass der Schlussstein zur Katastrophe führen wird und muss, ist genauso deutlich sichtbar. (Bei einer umgedreht gedachten und gebauten Pyramide ist es noch diffiziler – was hielte der „Unterstein“ wohl aus?)

Die Zahl der Arbeiter, die noch benötigt werden schrumpft ebenso wie die Zahl der Steine, die noch gebrochen werden müssen. Baustelle und Steinbrüche, wo „real“ gearbeitet wird, leeren sich rasch.

Der Kredit- und Schuldenpyramide, die sich so gigantisch darstellt, steht in ihrer Schlussphase eine – eben durch ihren Bau und seine Systematik verursachte – abnehmende Leistung gegenüber.

Wer jetzt auftritt und sagt: Jetzt will ich für die Pyramide etwas haben, wer also reale Leistung abfordern wird, der blickt in die leere Runde: Niemand ist mehr da, der leisten könnte. Denn die Leistung war immer nur das Bauen selbst, bzw. die durch das Bauvorhaben (das Türmen von Krediten auf Kredite und Schulden auf Schulden) erzwungene Leistung.

Was gibt es noch zu tun?

Betrachten wir die ganz konkrete Lage heute:

  1. Es wird zu einer Weltrezession kommen. Wird sie – da wir schon ganz weit oben auf der Pyramide arbeiten – mit zusätzlichen Krediten/Schulden beseitigt (wie so oft in der Vergangenheit) bedeutet dies nur eine Beschleunigung des Baus der Pyramide.
  2. Wird sie durch einen Teilabriss (= Kredit- und Schuldenstreichung) geheilt, bedarf es größten Geschicks, dabei nicht den Einsturz des gesamten restlichen Baustumpfes zu verursachen. Sonst poltert die Weltrezession in eine Weltdepression mit unabsehbaren Folgen.
  3. Möglicherweise wird dann nie mehr so etwas wie ein Pyramidenbau versucht. Wir gingen dann zu neuen Formen des Wirtschaftens zurück (kreditfreien), was bedeutet: Wir kehren zurück zu frühen, wenn nicht gar archaischen Wirtschaftsformen. Stamm, Naturaltausch, Eigenhofwirtschaft, möglicherweise auch zu Neofeudalsystemen wie es auch der Sozialismus immer wieder eines war.
  4. Dass sich „Stammesbildungen“ abzeichnen, Kollektive also auf kleiner Ebene, ist nicht zuletzt auch hier im Board zu beobachten. Irgendwie rücken jene, die etwas Schlimmeres „befürchten“ enger zusammen (man denke an den guten Vorschlag, sich hier gegenseitig „bekannt“ zu machen).

Als ich einen Vortrag zum Thema „Möglichkeiten einer Weltwirtschaftskrise“ in Bern gehalten habe, wurde in der Diskussion gefragt, was wir denn machen sollten. Ein älterer Herr stand auf und sagte: „Dann gründen wir einen Verein zur gegenseitigen Hilfe“. Großartig!

Vielleicht ist es besser, mehr in diese Richtung zu denken als auch noch den letzten Ratlosen (aber durchaus schon „etwas“ spürenden) davon zu überzeugen, dass es wirklich schief geht. Wenn nicht sehr bald schon, dann in höchst absehbarer Zeit.

Eine „Rettung“ des Bisherigen ist völlig ausgeschlossen. Eine erneute Prolongierung des unabwendbar heran eilenden Zeitpunkts des Zusammenbruchs ist zwar möglich, allerdings nur auf Kosten der nach der Prolongation sich noch mehr beschleunigenden Herbeieilens der dann endgültigen Katastrophe.

Sich noch an Quacksalbereien im Sinne von Systemfehler-Behebungen zu versuchen (oder sie kreuz und quer und wieder und wieder ab ovo zu debattieren), ist vertane Zeit.

Wir sollten handeln und – wer möchte – es gemeinsam tun.

Gruß

d.