Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch (NICHT) nur noch vier Jahre zu leben …

… denn Albert Einstein hat dieses „Zitat“ nie geäußert (siehe hier und hier).
Es klingt aber einfach zuuuu gut, um damit nicht reißeriche Schlagzeilen zu machen  (bspw.
hier, hier und insbesondere HIER: Petition | „Bienensterben stoppen: Neonikotinoide in Pestiziden verbieten“) – wer würde Einstein schon widersprechen wollen.
Das nur nebenbei.


Vorbemerkungen

Ich will nichts bagatellisieren. Natürlich gibt es Probleme, die es zu lösen gilt.
Das bspw. Pestizide als
„Mittel zur Bekämpfung tierischer Schädlinge“ auch Nichtschädlingstiere – was die Biene für den Menschen nun mal ist – „bekämpft“, ist nur logisch.
Aber es gibt auch genügend Interessensgruppen, die von den Problemen leben und bspw. nichts gegen Überdramatiserungen oder Falschinterpretationen zu eigenen Gunsten einzuwenden haben. Beispiel:
„Die vorgestellte „Insektenstudie“ ist ein Beispiel für Junk-Science (Schrottwissenschaft)“

Zu den Bienen: Einige Punkte haben mich bei der „Recherche“ zum Thema gestört bzw. sind mir aufgefallen.

1.) Hochleistungsbienen

Wenn über „Bienensterben“ gesprochen wird, dann überwiegend über domestizierte Hochleistungszuchtbienen, welche letztlich als „Nutztiere“ anzusehen sind.
Wenn vom Menschen zum eigenen Vorteil genutzte Tiere sterben, ist der Aufschrei natürlich groß.

Und das industrielle Tierhaltung – bei Rindern, Schweinen usw. oftmals kritisiert – auch bei Bienen nicht gerade zur Widerstandsfähigkeit der Tiere beiträgt, leuchtet mir ein:

„Bienensterben durch industrielle Bienenhaltung“
„Überzüchtung | Warum die Bienen wirklich sterben“
„Die möglichen oder wahrscheinlichen Konsequenzen des Honigbienensterbens werden üblicherweise falsch dargestellt“
(sehr interessante Ausführungen)

Es geht im Grunde also nicht um den Erhalt / den Schutz der Biene an sich – sozusagen um die Biene Maja – sondern hauptsächlich um die eingeschränkte Nutzbarkeit durch den Menschen. Problemlösungen sind natürlich trotzdem wünschenswert (das meine ich ernst!) (siehe „hier“).

Die Daseinsberechtigung der (überzüchteten) „Honigbienen-Völker“ liegt realistisch betrachtet nahezu ausschließlich in der Nutzung als „Bestäubungssvieh“ und Rohstofflieferant (Honig).
Hätten wir keine oder weniger Monokulturen und / oder intensive Flächennutzungen usw., bräuchten wir diese „künstlichen“ Bienen nicht oder zumindest in deutlich geringerem Maß.
Führt man dennoch das Sterben der „Honigbienen-Völker“ als Argument „an erster Stelle“ für die Forderung u. a. einer „anderen Art von Landwirtschaft“ ins Felde, ist dies ein Widerspruch in sich.
Schön plakativ, aber im Grunde untauglich.

Nichts gegen die Forderung einer „anderen Art von Landwirtschaft“; selbstverständlich ist das legitim. Ich persönlich halte jedoch nichts von Petitionen, welche – despektierlich gesprochen – ohne Rücksicht alles plakativ vermengen, um ihre Ziele zu erreichen.
Dergleichen kann ich nicht so recht trauen!

2.) Natürlicher Sterbeanteil

Der natürliche Sterbeanteile, dem nun mal jede Spezies unterliegt, wird so gut wie ignoriert.
Jedenfalls habe ich dazu nichts wirklich aussagekräftiges / umfassendes gefunden – was sicherlich anders wäre, wenn es in der öffentlichen Diskussion eine Rolle spielen würde.
Wenn im Winter 2016 / 2017  lt. Deutschem Imkerbund e. V. „ein Verluste von rund 20 Prozent bzw. rund 170.000 Bienenvölkern zu beklagen ist“ ist das nicht schön.
Aber wie hoch ist der Anteil des natürlichen „Verlustes“? Wie viel von den 20 % wären ohnehin gestorben, einfach weil die Natur dies so vorgibt?
Wenn es stimmt (??), dass in der „Natur 20 % – 30 % Bienenvölker sterben, dann sind einerseits die vorstehend genannten Verluste eher normal, andererseits sind deutlich geringere Verlustraten von „unter 6 %“ schlicht unnatürlich.
Ohne Berücksichtigung des natürlich bedingten Sterbeanteils, sind m. E. alle Verlustzahlen im Grund nicht brauchbar.

3.) WELTWEITES Bienensterben

In dieser gut als beispielgebender Aufhänger für die allgemeine Situation in Deutschland verwendbaren „Petition“ wird wortwörtlich davon gesprochen, dass „Bienen auf der ganzen Welt sterben.“

1. Natürlich sterben Bienen auf der ganzen Welt, was auch sonst? Man stelle sich nur vor, dass Bienen nicht mehr sterben würden. Was soll uns eine solch völlig sinnfreie Aussage mitteilen? Es tut mir Leid, aber ich kann so einen Quatsch nicht ernst nehmen.
Wie kann man jemandem die Richtigkeit seiner Aussagen unterstellen und die Petition unterstützen, wenn die Petition derart hohl begründet wird?

2. Weiter wird aufgeführt, dass „ihr Verschwinden unsere Nahrungskette und die natürliche Vielfalt bedroht.“

1.) und 2.) zusammenführend haben wir „weltweit“ und „verschwinden“ als eingängige, petetionsbegründende Schlagwörter (bspw. die SZ blässt bzgl. der „Weltweitigkeit“ ins „gleiche Horn“)

Dazu untenstehend einige exemplarische Graphiken über die Zahl von Bienenvölkern. Diese stammen, bis auf Deutschland, von der „Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO).*1 (Für weitere Länder schaut euch bitte selbst dort um!)

Zweifelsohne, es gibt Länder mit signifikanten, besorgniserregenden Rückgängen.
Diskussionen über und Versuche von Problemlösungsfindungen sind durchaus begründet!
Von „weltweit“ und / oder gar
„verschwinden“ kann jedoch keine Rede sein! 

Solche Begrifflichkeiten zu verwenden ist schlicht unseriös.
Beabsichtigt oder nicht ist dabei irrelevant; beides ist gleichermaßen zu mißbilligen (diese Frage ist allerdings interessant, da diese Petition durch den
„Präsidenten“ des DEUTSCHEN BERUFS UND ERWERBS IMKER BUND E.V. DBIB eingereicht wurde).
Nochmal, wie kann ich der Richtigkeit der Ziele vertrauen, wenn schon die Begründung an den Haaren herbeigezogen ist?

Diese Petition ist für mich ein Musterbeispiel für die in Deutschland herrschende Oberflächlichkeit und allgemein darniederliegende Informationskultur.

P.S.: Die Petition war übrigens erfolgreich. Vielleicht zu recht, vielleicht zu unrecht – wer weiß. Anhand der Einlassung hätte man jedenfalls nicht unterschreiben dürfen. Das dies trotzdem geschieht, sagt so einiges. „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Albert Einstein. 

 


World
 
Asia
Central AmericaDeutschland
Graphik: Jahresbericht 2106 / 2107 des Deutschen imkerbundes e. V.

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*1
Anmerkung:

Die Daten der FAO sind für einige Länder und im Detail wohl mit Vorsicht zu genießen (>>). Ganz falsch können sie aber auch nicht sein. Schaut man sich bspw. die Angaben der FAO für Neuseeland an, stimmen diese mit den Daten aus einem „Bericht“ des Neuseeländischen Ministry for Primary Industries (MPI) überein. Zumindest für tendenzielle Grundaussagen daher meiner Ansicht nach verwenden.