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Kurze Vorbemerkungen
Die Aktionen der “Gelbwesten” sind medial überaus präsent. Die dahinterstehenden Beweggründe sind es eher nicht. So gut wie niemand hat sich die Mühe gemacht, die Forderungen der “Gelbwesten” inhaltlich auf “Tauglichkeit abzuklopfen”. Worum geht es überhaupt? Sind sie umsetzbar? Nachstehend werden die Forderungen der “Gelbwesten” daher näher beleuchtet.
Immerhin wollen einige “Gelbwesten” bei der Europawahl antreten (>>).
Wobei einige Punkte, aufgrund mangelnden Detailwissens meinerseits zu Frankreich spezifischen Verhältnissen bzw. Sachverhalten, vorsorglich vollständig unberücksichtigt bleiben. Besser nichts schreiben, als ggfs. haltlosen Unsinn zu verbreiten. Des Weiteren wird sich überwiegen auf “wirtschaftliche” Aspekte konzentriert. Der Beitrag ist auch so schon lang genug – um nicht zu sagen ZU lang .
Die Forderungen der “Gelbwesten” können einem Artikel bei Rubikon entnommen werden. Forderungen, welche nach Durchsicht dieser Artikel von Voltairenet, zumindest teilweise eigentlich anders gelagert sein müssten.
Bevor es jedoch an die Forderungen selbst geht, zunächst einige wichtige Graphiken und Aussagen zu wirtschaftlichen Eckdaten Frankreichs. Auf diese wird in den Kommentierungen der einzelnen Forderungspunkte mehrfach Bezug genommen.
Nicht vergessen: wir leben – ohne wenn und aber – im »System Debitismus«!! Weshalb auch die Kommentare zu den Forderungspunkten stark “debitistisch” angehaucht sind.
Wirtschaftliche Eckdaten Frankreichs
Folgende Graphiken stammen von Trading Economics.
1) Frankreich – Staatsschulden (Mrd. Euro)
2) Frankreich – Haushaltssaldo (Staatsdefizit) (Mrd. Euro)
3) Frankreich – Staatsausgaben zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) (Prozent)
4) Frankreich – Inflationsrate (Prozent)
Folgende, zusammengefasste Aussagen zur Situation Frankreichs stammen aus dem Artikel Frankreich: CO2- und Dieselsteuer löst den Aufstand aus:
- Mit 47,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) höchste Steuer- und Sozialabgabenlast in Europa
- Rund 57 Prozent des BIP gehen durch die Hand des Staates (obige Graphik 3)
- Stetig sinkende Industrieproduktion in den letzten Jahrzehnten; Anteil Industrieproduktion am BIP: nur noch 10 Prozent (nach Griechenland die zweit höchste Deindustrialisierung in Europa); nur noch 2,7 Millionen Beschäftigte in der Industrie; Grund: hohe Steuerlast und unflexibles Arbeitsrecht
- Auslandsschulden in Höhe von 100 Prozent des BIP
Die Forderungen der “Gelbwesten”
“Abgeordnete Frankreichs, wir übermitteln Ihnen die Direktiven des Volkes, damit Sie diese in Gesetze umsetzen. Abgeordnete, verschaffen Sie unserer Stimme Gehör in der Nationalversammlung! Folgen Sie dem Willen des Volkes! Setzen Sie diese Direktiven durch:
Null Obdachlosigkeit: DRINGEND.
Illusorisch. Von vornherein unrealistische Wunschdenken-Forderungen sind schwerlich ernst zu nehmen. Zur Erinnerung: Schlaraffenland ist ein Märchen! Ist Schlaraffenland als Gesetz darstellbar?
KEIN System vermag dies auf Dauer zu leisten. Klingt herzlos, ist aber so. Diverse Stellschrauben zur Reduzierung? Durchaus möglich. Das wurde jedoch nicht DRINGEND gefordert!
Mehr Progression bei der Einkommenssteuer, das heißt mehr Stufen.
Ohne Details aus Frankreich zu kennen: Vom Prinzip her nachvollziehbar und sicherlich nicht unmöglich umzusetzen – wenn man es nur wollte.
Mindestlohn von 1.300 Euro netto.
In Frankreich sind automatische Zuwächse des Mindestlohns gesetzlich verankert (>>); die Entwicklung brutto ist hier zu sehen.
Die Wochenarbeitszeit dafür beträgt 35 Stunden (>>).
Seit Anfang 2019 liegt der Mindestlohn bei 1.204 Euro netto (>>). D.h., die 1.300 Euro wären – bei in etwa gleichen Steigerungen wie in den letzten Jahren – ungefähr in fünf bis sechs Jahren ohnehin erreicht.
“Gegenfragen”:
Wären die Gelbwesten bereit, die Wochenarbeitszeit dafür auf bspw. 38 oder 40 Stunden anzuheben? Dann hätten zumindest ALLE etwas davon! Zeit ist Geld = Debitismus!
Wird dann bei 1.300 Euro netto auf die gesetzlich verankerte, automatische Steigerung verzichtet? Oder soll immer weiter angehoben werden, bis der Mindestlohn “normale” Löhne ersetzt? Wo ist die Grenze?
Förderung der kleinen Geschäfte in den Dörfern und Stadtzentren. Einstellung des Baus von großen Einkaufszentren um die Großstädte herum, die den Einzelhandel abwürgen, und mehr kostenlose Parkplätze in den Stadtzentren.
Schon an die eigene Nase gefasst? Wo wird Eigenverantwortung gefordert?
KEIN “kleines Geschäft” würde schließen, wenn genügend Kunden dort einkaufen würden!!
NICHTS muss (staatlich) gefördert werden, wenn die Kundschaft in eben diesen “kleinen Geschäften” einkaufen würde!1)
KEIN Einkaufszentrum – oder auch AMAZON & Co. (!!) – könnte(n) existieren, wenn die Kundschaft in den “kleinen Geschäften” einkaufen würde!
KEIN unsägliches, an Niveau nicht mehr zu unterbietendes Dschungelcamp & Co., würde die TV-Landschaft verseuchen, wenn es nicht regelmäßig genügend Menschen anschauen würden!
Allgemein gesagt (in Frankreich wird dies nicht anders sein):
Bequemlichkeit, Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit, Dummheit, DASS sind die Gründe für Einkaufszentren!
Den Menschen scheint es wichtiger zu sein, alle zwei bis drei Jahre ein neues Handy zu kaufen (>>, >>, >>), als ganz bewusst, durch das eigene Kaufverhalten, “kleine Geschäfte” zu unterstützen.
Darüber hinaus ist eine zentrale Staatsregierung für lokale Parkplatzprobleme überhaupt nicht zuständig.
1) Künstliche Lebenserhaltungsmaßnahmen für etwas offensichtlich nicht eigenständig Überlebensfähiges ist einer der Gründe für den in obiger Graphik 1) dargestellten Verlauf.
Steuern: die GROSSEN (MacDonalds, Google, Amazon, Carrefour, …) sollen GROSSES GELD zahlen, und die Kleinen (Handwerker, Klein- und Mittelbetriebe) zahlen KLEINES GELD.
Dem Grunde nach eine allemal nachvollziehbare Forderung.
Andererseits sollte man auch hierzu vorstehenden Punkt bedenken. KEINE dieser “Dickschiffe” hätte diese “unantastbare” Größe erreicht, wenn nicht “jeder” einfach unbedacht “googlen” und sich per bequemen “drive in” mit Fast Food vollschaufeln würde. Es gibt (noch) genügend Alternativen! Sie müssen nur genutzt werden! In ausreichendem Maße umgesetzt, würde auch die Macht dieser Konzerne schwinden.
Des Weiteren ist prinzipiell zu fragen, ob Staatsausgaben zum BIP von aktuell rund 57 Prozent tragbar sind (s. Graphik 3 oben). Platt gefragt: Ist es akzeptabel, dass mittlerweile mehr als jeder zweite Euro zunächst durch des Staates Steuer-/Abgabensäckel läuft um dann wieder (interessenneutral?; das Volk abhängig machend?) verteilt zu werden? Hinsichtlich Steuern könnte man daher gedanklich vielleicht sogar anfangen, das Pferd provokativ von hinten aufzuzäumen: Sind EU weit durchschnittlich 20 Prozent Steuern der Großen (>>) wirklich zu wenig? Oder sollte dies nicht eigentlich der Normalzustand für alle sein?
Schluss mit der Erhöhung der Treibstoffsteuer.
Verständliche Forderung!
Obwohl aus “debitistischer Systemsicht” ohnehin kein Weg an Steuererhöhungen vorbeiführt: Das ewige Drehen an der Steuerschraube nervt trotzdem gewaltig – nicht nur in Frankreich.
Das Ziel der Forderung ist vermutlich, die monetäre Belastung insbesondere der “Kleinen” nicht weiter zu steigern.
Die monetäre Belastung der “Kleinen” könnte jedoch sogar verringert werden, wenn man bspw. die Abschaffung der »Force de frappe«, der »Atomstreitmacht der Französischen Streitkräfte« fordern würde. Diese kostet den Staat – und damit den “kleinen Bürger” – jedes Jahr mindestens mehr als drei Milliarden Euro (>>). “Mindestens” deshalb, weil auch das im Ausland umzusetzende, »massive Interesse Frankreichs an seiner Versorgung mit Uran« u. ä. nicht umsonst zu haben sein wird; ganz zu schweigen vom Uran selbst.
Eine solche “Abschaffungsforderung” bzw. ähnlich gelagerte Forderungen werden aktuell allerdings schmerzlich vermisst und waren auch in der Vergangenheit kein Thema. Warum?
Großmachtwahn kostet eben Geld: Militärbudget Frankreich für 2017: 57,8 Mrd. US-Dollar (>>). Ist das im Sinne “der Kleinen”?
Allgemeine Ergänzung: Hier gibt es einen Überblick über die Steuern in Europa auf Benzin und Diesel. Frankreich ist demnach zwar im oberen Drittel vertreten, jedoch noch nicht an der Spitze. Es ist also noch Luft nach oben .
Keine Rente unter 1.200 Euro.
Das Rentensystem in Frankreich ist mir im Detail nicht bekannt. Grobe Übersichten können hier und hier eingesehen werden. Eckdaten:
- Mindestrente 2018: monatlich 634,66 Euro
- Durchschnittsrente 2011 / 2015: 1.320 Euro (>>) / 1.400 Euro (>>)
- Das Defizit der Rentenkassen soll bis 2020 auf 20,7 Milliarden Euro und bis 2040 auf 27 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen (Stand 2013, >>)
- Defizit Rentenkasse 2015: 65 Milliarden Euro (>>, wie diese Angabe zu den vorstehenden Defizit-Zahlen passt, ist mir zwar nicht klar, klar ist jedoch, dass eine kolossale Finanzierungslücke besteht!!)
Eine pauschale / undifferenzierte Erhöhung der Mindestrente würde mit ziemlicher Sicherheit die Rentenkassen sprengen und die Staatsverschuldung explodieren lassen. Ob die dadurch bedingte, potentielle Gefährdung der Funktionsfähigkeit des französischen Staates bedacht wurde, kann bezweifelt werden.
P.S.: Dabei spielt es von der Sache her, im großen Bild und längerfristig, im Grunde keine Rolle, ob durch aufgedeckte Steuerhinterziehungen zusätzliche Einnahmen generiert werden können oder nicht. Die Größenordnungen sind, insbesondere unter zusätzlicher Berücksichtigung der Staatsverschuldung, einfach zu gewaltig. Das sollte man sich bewusst machen!
Nichtsdestotrotz gibt es m. E. “dümmere” Anliegen. Der nächste Punkt zum Beispiel:
Die Löhne aller Franzosen sowie die Renten und Leistungen sind entsprechend der Inflation zu indexieren.
Mit Verlaub: das ist blanker, gefährlicher Unsinn aus dem wünsch-dir-was-Land des unbekannte Debitismus.
Wie alles in der Wirtschaft läuft auch die Inflation nach den strengen Regeln des Debitismus ab. Da gibt es kein Entrinnen, kein Vertun. Wir repetieren: a) Inflation ist nur möglich, wenn Schulden nicht durch Leistung zum Erlöschen gebracht werden. b) Diesen Prozeß kann über längere Zeit nur ein »infallibler Schuldner«, der »Staat« also, bewerkstelligen. c) Der Staat leistet nicht, zwingt aber auch seine Bürger nicht zur (stellvertretenden) Leistung, etwa durch Abforderung höherer Steuern. (>>) INFLATION II: Die Staatsschulden sind zunächst zusätzliche Nachfrage und deshalb auch so beliebt, weil ins System des “Debitismus” scheinbar passend. Da der Staat aber nicht leistet, fehlt die “Warenmenge”, die das Preisniveau wieder senken könnte. Es kommt zur richtigen Inflation: Immer nur Nachfrage, aber die erlösende Warenmenge erscheint nie. Es gibt demnach nur eine einzige (!) Ursache für Inflation – das ist der STAAT. (>>) |
1.) Hier scheint das typische, jedoch falsche “Allgemeingut” der Verwechslung bzw. Gleichsetzung von Teuerung und Inflation vorzuliegen: »Inflation, Geldentwertung, Teuerung«, »Teuerung oder Inflation oder beides?«. Forderungen auf falschen Annahmen basierend, sind immer gefährlich!
2.) “Echte” Inflation wird ausschließlich durch den Staat generiert (Kasten rechts). Inflation, die dann durch einen automatisierten Lohnanstieg der Staatsbediensteten ansteigt, weshalb dann wieder die Löhne angehoben werden, die dann wieder Inflation generieren usw. usf. – ein staatsverschuldungsfütterndes Perpetuum mobile. »Staatsschulden sind gut. Die Staatsverschuldung ist schlecht.« (>>)
3.) Als ob jedes Unternehmen bei höherer “Inflation” auch automatisch höhere Einnahmen verzeichnen könnte – gewiss nicht!! Jedem Unternehmen, undifferenziert und unabhängig von seiner wirtschaftlichen Situation, automatische Lohnsteigerungen aufzubürden, ist an Gefährlichkeit kaum zu überbieten. Werden auf diese Weise etwa die oben genannten »kleinen Geschäfte in den Dörfern und Stadtzentren« gefördert bzw. geschützt und unterstützt?
4.) Inflationswerte größer Null sind nicht in Stein gemeißelt! Frankreich in den Jahren 2009 und 2015 / 2016: NEGATIVE Inflation (s. Graphik 4 oben). Sind die Gelbwesten bereit, in diesen Fällen die Löhne, Renten und Leistungen entsprechend zu kürzen? Exakt dies wird in den kommenden Jahren zunehmend spruchreif werden: Deflation (≅ “debitistischer” Rückgang der privaten Neuverschuldung) steht vor der Tür (oder ist zumindest sehr wahrscheinlich). Mit ziemlicher Sicherheit hat DIESE Möglichkeit wieder mal niemand auf dem Schirm!
Schutz der französischen Industrie: Verbot von Verlagerungen. Schutz unserer Industrie bedeutet Schutz unseres Know-how und unserer Arbeitsplätze.
1.) Und wer schütz den Rest der Welt vor Frankreich? Exporte 2017: 473,66 Mrd. Euro (ca. 20 Prozent des BIP, >>). Es besteht zwar ein Handelsbilanzdefizit von -80.56 Mrd. Euro (2017 >>). Protektionismus funktioniert jedoch nicht. Selbst wenn eine weitere »Verlagerung« / Deindustrialisierung durch Verbote zunächst verhindert werden könnte (??): Sollen Importe ebenfalls verboten werden? Sollen die (weltweiten) Käufer dann gezwungen werden, (überteuerte) französische Waren zu kaufen?
»Das debitistische System ist mittlerweile global, bis in nahezu jeden Winkel etabliert! Um an den globalisierten Verschuldungsquellen Chinas, Indiens, USA usw. partizipieren zu können, müssen wir – ob’s gefällt oder nicht – entweder einzigartige, mehr oder weniger konkurrenzlose Waren teuer verkaufen / exportieren bzw. – eher der „Normalfall“ – konkurrenzbehaftete Waren zu einem konkurrenzfähigem Preis verkaufen / exportieren.«
(Aus meinem Beitrag Das „System Debitismus“ beeinflussende Faktoren)
Der debitistische Druck lässt sich nicht umgehen oder per Knopfdruck ausschalten; auch und gerade nicht mit Protektionismus. Mit solchen “Lösungsansätzen” ist das Ruder nicht rumzureißen.
2.) Der Schutz des Know-how ist dagegen eine definitiv unterstützenswerte Forderung. Know-how-Vorsprung ist ein wichtiger Faktor zur Bewältigung des debitistischen Drucks.
Schluss mit der Arbeitnehmerentsendung. Es ist nicht normal, dass jemand, der auf französischem Territorium arbeitet, nicht den gleichen Lohn und die gleichen Rechte erhält. Jede Person, die autorisiert ist, auf französischem Territorium zu arbeiten, ist einem französischen Staatsbürger gleichzustellen, und ihr Arbeitgeber muss für sie die gleichen Abgaben entrichten wie ein französischer Arbeitgeber.
D’accord!
Zur Sicherung der Beschäftigung: Befristete Arbeitsverträge in großen Unternehmen stärker begrenzen. Wir wollen mehr unbefristete Verträge.
Gemäß folgender Quellen …
- Nach französischem Recht gibt es nur 4 Fälle, in denen ein befristeter Arbeitsvertrag zulässig ist, nämlich:…
- Neues Urteil zu aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen
… ist das französische Arbeitsrecht hinsichtlich befristeter Arbeitsverträge immer noch in hohem Maße arbeitnehmerfreundlich restriktiv. Insofern ist die Forderung nicht nachvollziehbar.
Ende der Austeritätspolitik. Einstellung von Zinszahlungen auf illegitim eingeschätzte Schulden und Beginn der Schuldentilgung, ohne auf das Geld der Armen und weniger Armen zurückzugreifen, sondern durch Aufspüren der 80 Milliarden hinterzogenen Steuern.
1.) Die angeprangerte Austeritätspolitik ist angesichts der eingangs dargestellten Eckdaten zur enormen Staatsverschuldung und entsprechender Haushalssaldi Frankreichs faktisch schlicht nicht erkennbar. Darüber hinaus gilt zu dieser Forderung die dringende Empfehlung, sich selbst das »System Debitismus« näherzubringen!!
2.) Den Rest der Forderungen kann ich nicht zuordnen. Was mit illegitimen Schulden im französischen Kontext zu verstehen ist, erschließt sich mir nicht. Zu den 80 Milliarden hinterzogene Steuern ist nichts auffindbar.
Grundsätzliches dazu: Bspw. an der Steuernachzahlung von Apple in Höhe von 500 Millionen Euro ist sicher nichts auszusetzen. Andererseits sind die französischen Staatseinnahmen in den letzten gerade mal 10 Jahren um sagenhafte rund 21 Prozent angestiegen. Jeder sollte sich daher die prinzipielle Frage stellen, warum diese starke Zunahme für einen ausgeglichenen Haushalt nicht ausreichend ist.
Beseitigung der Ursachen erzwungener Migration.
Es ist zu Fragen, was an Migration “erzwungen” ist. Desungeachtet ist die Beseitigung von Migrationsursachen eine definitiv zustimmungswürdige Forderung.
Festlegung eines Maximallohns von 15.000 Euro.
15.000 Euro am Tag ? Im Jahr? Im Monat? In der Woche? Vieles krankt an Unsauber- und Missverständlichkeiten. Das aber nur nebenbei.
1.) Die Gehälter einiger (inkompetenter) Manager sind in der Tat “geschmacklos”. Andererseits ist es völlig belanglos, wie viel bspw. ein Typ wie Steve Jobs (Gründer von Apple) verdient. Ohne Menschen wie diese wären einige Unternehmen, mit hunderttausenden von Arbeitnehmern, erst gar nicht entstanden bzw. sie wären bei weitem nicht so erfolgreich.
Menschen “mit dem Hut auf” muss es nun mal geben. Tragen sie den Hut mit Kompetenz und Geschick hat jeder etwas davon. Der Lohn darf entsprechend hoch sein und wird irgendwo auf der Welt auch bezahlt werden (==> Frankreich verliert patente Führungskräfte und in Folge Arbeitsplätze). Tun sie das nicht, sind selbst 15.000 Euro (im Monat?) noch zu viel.
Eine sozialistische Gehaltsobergrenze ist sicher keine Lösung!
2.) Was ist mit Folgendem? Auch manch „kleiner Arbeitnehmer“ führt seine Arbeit in nahezu geschäftsschädigender Weise aus (persönlich mehr als einmal erlebt!) und hätte seinen Job im Grunde nicht verdient. Genießen diese Leute “Welpenschutz”? Wie ist damit umzugehen?
Schaffung von Arbeitsplätzen für Arbeitslose.
1.) Exemplarischer Vorschlag:
Jeder Arbeitnehmer mit einem Gehalt von über bspw. 2.500 Euro Brutto verzichtet auf fünf Prozent und jeder Arbeitnehmer mit einem Gehalt von über 3.500 Euro Brutto verzichtet auf zehn Prozent seines Gehaltes (dass ist wirklich verkraftbar!) mit gleichzeitiger Zusage der Arbeitgeber dafür neue Stellen zu schaffen – oder irgendetwas ähnliches. Frankreichweit würden vermutlich hunderttausende neue Jobs entstehen. Ist jemand dazu bereit? Warum kommt nicht ein solcher Vorschlag bzw. eine solche Forderung? Die Klärung der Details wäre machbar.
2.) »Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune, ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt« (Zitat Pippi Langstrumpf >>)
• Begrenzung der Mietpreise. Mehr Wohnungen mit geringen Mietpreisen (insbesondere für Studenten und prekär Beschäftigte).
• Einsatz aller Mauteinnahmen für den Unterhalt der Autobahnen und Landstraßen Frankreichs sowie für die Straßenverkehrssicherheit.
Nachvollziehbar.
Da die Gas- und Strompreise seit der Privatisierung gestiegen sind, wünschen wir, dass beides wieder in die öffentliche Hand kommt und die Preise entsprechend gesenkt werden.
1.) Die debitistisch zwingend notwendige Neuverschuldung basiert auf durch Privateigentum besicherte Kredite. Die “Durchprivatisierung” einer Gesellschaft ist somit ein elementarer Eckpfeiler der Funktionsfähigkeit eben dieser.
Die Rückabwicklung hin in öffentliche Hände birgt gravierend negative Auswirkung einer erhöhten Staatsverschuldung in sich. Oder wie anders könnte es finanziert werden? Durch eine gewinnorientierte öffentliche Hand? Wo wäre dann der Vorteil zum vorhergehenden, privaten Zustand? Erhöhte Staatsverschuldung muss durch erhöhte Steuern und Abgaben bedienbar gehalten werden. Erhöhte Steuern und Abgaben werden abgelehnt. Und nun?
2.) Die Art und Weise einer Privatisierung ist allerdings diskussionswürdig. Wurden ehemalige Staatsbetriebe zu Monopolisten privatisiert? Oder gibt es echten Wettbewerb, der Preissteigerungen in Zaum hält?
Sofortiger Stopp der Einstellung kleiner Bahnstrecken, der Abschaffung von Postämtern und der Schließung von Schulen und Entbindungsstationen.
Es läuft zu oft auf das Selbe hinaus: Forderungen von bedarfsunabhängigen Versorgungen. Wäre der Bedarf ausreichend vorhanden und somit das “Objekt” wenigstens kostendeckend erhaltbar, würde nichts bzw. wesentlich weniger geschlossen werden. Platt gefragt: Wo soll das Geld für den Erhalt herkommen? Staatliche Übernahme? Wie Finanzieren? Einzig und allein durch die “Entdeckung” hinterzogener Steuern? Illusorisch! Staatsschulden? Siehe alles Vorherige!
Wobei der Punkt Entbindungsstationen m. M. n. der Gesellschaft sogar eine weitgehend bedarfsunabhängige Versorgung wert sein sollte.
• Wohlergehen für ältere Menschen. Verbot der Gewinnerzielung auf Kosten älterer Menschen. “Graues Wohlergehen” statt “Graues Gold”.
• Rente mit 60 Jahren. Recht auf Rente mit 55 Jahren für alle Personen, die körperlich schwer arbeiten (beispielsweise Maurer oder Schlachthausarbeiter).
• Förderung des Schienengütertransports.
Prinzipiell unterstützenswerte Forderungen. Jedoch läuft auch dies letztlich wieder auf eines hinaus: staatliche “Fürsorge”. Ist irgendjemand bereit, dafür höhere Steuern und Abgaben oder alternativ die Staatspleite in Kauf zu nehmen? Staatsschulden gibt es NICHT umsonst!
Volksentscheide sind in die Verfassung aufzunehmen. Schaffung einer lesbaren und effizienten Website, überwacht durch ein unabhängiges Kontrollorgan, auf der Menschen Gesetzesvorschläge einbringen können. Wenn ein solcher Vorschlag 700.000 Unterschriften erhält, ist er von der Nationalversammlung zu diskutieren, zu ergänzen und ggf. mit Änderungsvorschlägen zu versehen. Die Nationalversammlung ist zu verpflichten, ihn (ein Jahr nach dem Stichtag der Erlangung der 700.000 Unterschriften) der Gesamtheit der Franzosen zur Abstimmung vorzulegen.
DAS ist eine Forderung, welche voll und ganz meine Unterstützung findet!
Besteuerung von Schiffsdiesel und Kerosin.
Nachvollziehbar. Angesicht nahezu aller weiteren Forderungen jedoch lediglich ein Tropfen auf den heißen staatlichen Verschuldungsstein.
Schlussbemerkungen
Überschlägig zusammengefasst ist die Konsequenz der letztlich in ihrer Summe vollkommen utopischen Forderungen der “Gelbwesten” das Anheizen der Staatsverschuldung. Daher nochmals folgende, debitistische Grundsatzaussage: »Staatsschulden sind gut. Die Staatsverschuldung ist schlecht.« (>>) Das “Allheilmittel” Staatsverschuldung ist KEINES! Der Schuss wird nach hinten losgehen und es könnte böse enden.
Die »Französische Regierung rechnet mit höheren Schulden und Frankreich will … im kommenden Jahr (2019) die Stabilitätsgrenze von drei Prozent Neuverschuldung der Wirtschaftsleistung überschreiten« (>>).
Der Vollständigkeit halber:
Aus eingangs erwähnten Gründen nicht berücksichtigte bzw. kommentierte Forderungen:
• Ein einheitliches System der Sozialversicherung für alle (Handwerker und kleine Selbständige eingeschlossen). Abschaffung der Selbständigen-Sozialversicherung (RSI).
• Das Rentensystem muss solidarisch bleiben und demzufolge vergesellschaftet werden. Keine Rente nach Punkten.
• Jeder gewählte Abgeordnete hat das Recht auf den Durchschnittslohn. Seine Reisekosten werden überprüft und, soweit begründet, erstattet. Recht auf Restaurant- und Urlaubsgutscheine.
• Abschaffung der “Steuergutschrift für die Förderung des Wettbewerbs und der Beschäftigung” (CICE)*. Nutzung dieser Gelder zur Förderung einer französischen Wasserstoffauto-Industrie (wirklich ökologisch, anders als Elektroautos).
• Korrekte Behandlung von Asylbewerbern. Wir schulden ihnen Wohnraum, Sicherheit, Ernährung sowie Bildung für die Minderjährigen. Zusammenarbeit mit der UNO zur Einrichtung von Empfangslagern in zahlreichen Ländern der Welt in Erwartung des Ergebnisses des Asylverfahrens.
• Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihr Ursprungsland.
• Umsetzung einer tatsächlichen Integrationspolitik. In Frankreich zu leben heißt, Franzose/Französin zu werden (Französisch-Kurse, Kurse in französischer Geschichte und in staatsbürgerlicher Bildung mit Abschlusszeugnis am Ende der Kurse).
• Erhöhung der Leistungen für Personen mit Behinderungen.
• Maximal 25 Schüler pro Klasse von der Vorschule bis zur Abschlussklasse.
• Rückkehr zu einem Sieben-Jahres-Mandat für den Präsidenten der Republik. Die Wahl der Abgeordneten zwei Jahre nach der Wahl des Präsidenten wird dem Präsidenten der Republik ein positives oder negatives Signal hinsichtlich seiner Politik übermitteln. Dies wird dazu beitragen, der Stimme des Volkes Gehör zu verschaffen.
• Verlängerung des Systems der Zuschüsse für Kinderbetreuung (Pajemploi) über das sechste Lebensjahr hinaus bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes.
• Kein Quellensteuerabzug.
• Schluss mit den lebenslangen Bezügen für Altpräsidenten.